Warschau ist anders. Denn Warschau kann und will nicht warten. Woanders werden alte Häuser und 70er Jahre Plattenbauten platt gemacht. Dann wird neu gebaut. Nicht so in Warschau. Hier wird gleich gebaut. Mittendrin, mitten rein. Eine Reise führte mich drei Tage in die Millionenstadt. Nirgends hab ich je Ost und West, Alt und Neu so nah nebeneinander gesehen.
Plattenbauten neben Wolkenkratzern, Wolkenkratzer neben Altbauruinen, Altbauruinen neben Plattenbauten. Eine der großen Straßen Warschaus. Nummer 50 hat drei Stockwerke, das Haus wurde Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut. Hier wohnen sechs Familien. Selbst in den neuen Bundesländern würde in solch einer Ruine keiner mehr wohnen. Nummer 51 gehört den Koreanern. Und hat 60 Stockwerke, gebaut im letzten Jahr. Mittendurch rumpelt eine alte Tatra-Bahn, ein Audi A8 hupend daneben.
Grade rüber das neue Shoppingcenter Warschaus. So groß wie drei durchschnittliche deutsche Shoppingcenter. Drinnen alles vom Feinsten. Die besten Läden, die berühmtesten Modedesigner der Welt. Alles vertreten. Auf Etage drei nur Gastronomie. Auch alle Fastfood-Ketten. Aber nebeneinander. Mit gemeinsamen Tischen. Immer voll. Direkt darunter ein Supermarkt. Mit 25 Kassen. Nichts ungewöhnliches, eigentlich. Aber eben doch. Denn diese 25 Kassen sind immer besetzt. Sieben Tage in der Woche, von 8 bis 22 Uhr. Mit je einer Kassiererin und je einer Packerin. Das ist Service. Made by Poland. Und alle Lächeln. Immerzu. Und sehen auch noch verdammt gut aus.
Zur Weichsel hin die Altstadt. Schloss, Bürgerhäuser, Kirchen. Kneipen, Restaurants, Souvenierläden. Straßenmusikanten und Gaukler. Kutschwagen und Bustouren. Hier ist nichts zu sehen von den gläsernen Finanz-Riesen. Doch spüren kann man es auch hier. Überall wird gebuddelt, saniert, gestrichen, eingerichtet. Neue Kniepe hier, neues Café da. Warschau kann eben nicht warten.
Nur ein paar Sachen sind immer noch so. So wie früher. Die Import-TV-Serien werden „live“ synchronisiert. Man hört also im Hintergrund die Originalstimme und drüber spricht eine polnische Stimme. Eine männnliche polnische Stimme. Egal wer spricht. Es ist immer derselbe Synchronisator. Ob nun Marge spricht oder Homer. Oder im Speisewagen der Polnischen Staatsbahn. Hier wartet man immer noch ne Stunde auf das Essen. Dafür ist es frisch zubereitet. In meinem Fall Piroggen. Das waren die leckersten, die ich je hatte.
Downtown Warschau bei Nacht von der 25. Etage des Hotel Hilton aus gesehen
wiedermal sehr gut erkannt und gut beschrieben. ich habe in shanghai was ähnliches gedacht – kann es sein, dass es überall so ist, nur hier nicht?
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