Wenn es dunkel wird, wenn es kalt wird in Berlin. Dann kommt die Zeit von Marie (24). Die Studentin arbeitet in der Stadtmission am Berliner Hauptbahnhof. Dort ist sie die Fahrerin des Kältebusses. Ein Kleinbus, der Nacht für Nacht unterwegs ist. Unterwegs für jene, die auf Hilfe angewiesen sind. Unterwegs zu den Obdachlosen, zu den Hilflosen der Stadt.
Seit 1994 fährt nun schon der Kältebus durch die kalten Berliner Nächte. Er bietet wohnungslosen Menschen Hilfe dort an, wo sie leben – auf der Straße. Marie steuert den Bus zum ersten Mal. Warum ausgerechnet sie? „Weil ich mich gern sozial engagiere“, sagt Marie eher bescheiden. Schon in den letzten beiden Jahren hatte sich die Erzgebirglerin in der Stadtmission eingebracht.
„Ich helfe gern. Das habe ich während meines Studiums in den letzten Jahren erkannt.“ Ein Studium, das ihr auch bei ihrem jetzigen Job viel weiter hilft. Denn Marie ist Sprachstudentin. „Ich spreche Russisch, Lettisch und Litauisch.“ Sozialarbeiter Dieter Puhl von der Stadtmission: „Das sind beste Voraussetzungen. Denn die meisten Wohnungslosen Berlins kommen aus Osteuropa.“
„Mit Russisch“, sagt Marie, „mit Russisch kann man hier immer den ersten Schritt machen, Vertrauen aufbauen.“ Und Vetrauen ist wichtig. Viele Wohnungslose schämen sich ihres Lebens, ihrer Umstände. Gescheitert in der Fremde, gelandet am untersten Rand der einst so golden verheißungsvollen Gesellschaft.
Geschätzte 10.000 Obdachlose leben in Berlin, 4.000 von ihnen ständig auf der Straße. Viele kommen am Abend in die Missionen. Da gibt es ein warmes Essen, heißen Tee. Aber es kommen eben nicht alle, die es nötig hätten. „Oft fehlt der Wille, manchmal auch Mut“, sagt Dieter Puhl. Für all jene ist der Kältebus da. Zwischen 21 und 3 Uhr steuert er die Berliner Plätze an, wo sich Obdachlose aufhalten. „Wer möchte, den bringe ich in eine Unterkunft“, erzählt Marie.
Drei bis zehn Fahrgäste hat die Studentin jede Nacht. Ein wenig Mut, Courage und Überwindung gehören dann schon dazu. Denn nicht immer ist es einfach. Mit dem Bus, in der Kälte der Nacht, mit den speziellen „Fahrgästen“. Doch Marie ist immer mit ganzem Herzen dabei. „Ich mach das eben gern.“
Foto: Charly Yunck
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