Heute gibt´s keine Räder, morgen keine Bremsen

nva_gleisarbeiten

Es klingt wie ein Witz aus allten DDR-Tagen. Kommt ein Mann ins Möbelhaus auf der vergeblichen Suche nach Wohnzimmerschränken. Nach einer Weile fragt er eine Verkäuferin: „Ja, gibts denn hier keine Wohnzimmer?“ Antwortet die Verkäuferin: „Keine Wohnzimmer gibts in der ersten Etage, hier gibt´s keine Schlafzimmer.“ Und weil Witze im Osten immer auch etwas Wahres in sich hatten, waren sie manchmal gar nicht so witzig.

Doch das ist lange her. Mag man meinen. Bei der Berliner S-Bahn sieht es derzeit ganz nach DDR-Planwirtschaft aus. Damals hieß es oft: Kein Material da, keine Produktion. Wenn der Pole sein Stahl mal wieder gegen harte Valuta in den Westen statt gegen einen freundschaftlichen Händedruck in die DDR geliefert hatte. Oder wenn die Schweißdioden zu Ende gingen und ganze Baustellen von früh bis spät bei lecker Bierbowle (Pflaumen und Aprikosen aus dem Glas, Zucker, Weinbrand, Korn und Bier in einem Eimer gemischt) Skat oder Doppelkopf spielten.

Zurück zur S-Bahn des 21. Jahrhunderts. Vor drei Monaten fiel die halbe Flotte aus, weil es Probleme mit den Rädern gab. Das ganz große Chaos blieb dank Ferien aus. Nun also sind es die Bremszylinder. Diesmal fehlen zwei Drittel der Flotte. Auf den meisten Strecken fährt gar nichts, auf manchen kommt wenisgtens alle 20 bis 30 Minuten ein völlig übervoller Zug vorbei. Auch das erinnert irgendwie an damals. Wenn sich allmorgendlich Zehntausende aus dem Wohnsilo Halle Neustadt mit der S-Bahn Richtung Leuna oder Buna quälten.

Schuldig sei die schlampige Wartung bei der S-Bahn. Wie auch schon bei den Rädern. Die Chefetage ist allerdings schon im Juli nach der Schlamperei mit den Rädern gefeuert worden. Und Mehrdorn ist auch schon länger weg vom Fenster. Keiner weiß also, wer verantwortlich war oder ist.  Und das zumindest unterscheidet die S-Bahn von der guten alten DDR-Planwirtschaft. Damals wusste immer jeder, woran es klemmt und wer schuld hat. Mal war´s der Winter, mal der Sommer, mal der Frühling, mal der Herbst. Immer auch der Westen und immer wieder auch das Wetter. Aber die konnte man nicht rausschmeißen.

Werbung