„Dit war der Herbert, dit sach ick dir!“, sagt Irmgard zu Trudchen. „Herbert? Wieso Herbert? Und wat meinsten übahaupt“, fragt Trudchen Irmgard. Die beiden Berliner Seniorinnen sind wie jeden Morgen im Stadtbad. Hier darf man vor acht zum Sonderpreis schwimmen. Oder, wie Irmgard und Trudchen es tun, im flachen Wasser stehen, ab und zu die Arme darin bewegen, und ansonsten Tratschen was das Zeug hält. Wie auch heute morgen wieder.
Ich hatte sie wegen der Sommer-Freibadsaison lange nicht gesehen. Sie haben sich nicht verändert seit dem Frühjahr. Beide haben immer noch ihre Perlenkette während des „Schwimmens“ um, beide tragen ihre lila-gelben Badekappen. Und ihre Badanzüge Marke „ein bis zwei Nummern zu klein“. Und beide blockieren wie ehedem Bahn sechs. Frau Stadtrat und ihre beste Freundin.
„Nu pass ma uff. Herbert hat beim letzten Kränzchen erzählt, dass er bei der nächsten Wahl es denen da oben mal so richtig zeigen will. Und abwähln will er den janz oben“, sagt Irmgard. „Na dit gloob ick jetze nich“, ereifert sich Trudchen. „Herbert? Der stammt doch praktisch von de Demjokraten ab? Großvata Demjokrat, Vata Demjokrat, Bruda Demjokrat. Der is doch praktisch jesehn mit Brandt uffjewachsen. Und Ernst Reuta war sojar n entfernta Nachbar von Herbertchens Mutta. Da musste dir irren, Irmjard.“
„Wat weeß ick denn, wie Herbert uffjewachsen is. Ick hab ja nich so´n enget Vahältnis mit dem wie manch andre Anwesende hier“, pariert Irmgard mit spitzem Mund. „Na, na, nu werd ma nich gleich komisch. Dit eene mal wirste mir jo wohl nich ankreiden wolln, wa? Und außadem, sind wa immahin n freiet Land. Da kann Herbertchen ja wohl wählen, wat er will“, erwidert Trudchen. Irmgard taucht langsam bis zum Hals ins Wasser, langsam wieder auf. „Nee“, sagt sie dann bestimmt, „mit so ne Familje kannste eben nich wähln, wat de willst. Jedenfalls nich die, wo ick gloobe, dass er die jewählt hat.“
„Wat gloobste denn, wat Herbert jewählt hat“, fragt Trudchen und taucht ganz langsam bis zum Hals ins Wasser, und langsam wieder auf. „Na die von drjüm“, antwortet Irmgard, „die vonne Es-Eh-Deh-Nachfoljer. Dit hatter doch imma ma wieda jesacht, dat die ja nich so schlimm sein solln.“ Trudchen schaut Irmgard an, zeigt mit ihrem rechten Zeigefinger an ihre Stirn. „Na dat is ja wohl die Höhe. Herbertchen is doch keen Kommjuniste. Dat is n ausjewiefter Demjokrat. Basta.“
„Ah, kieke ma, wer da kommt. Uns Herbert. Na, Herbertchen, wat haste jewählt am Wochenende“, fragt Irmgard, als Herbert langsam, ganz langsam, ins Schwimmbecken steigt (wie eh und je mit seiner superengen Mini-Badehose im Tigerlook). „Madam hier neben mir gloobt nämlich, Du hast die von drjüm jewählt.“
Herbert schaut beide fragend an und sagt: „Ick weeß ja nich, wat ihr hier schon wieda tratscht. Aba eens kann ick Euch sajen: Mein Ziel ha ick erreicht. Am Samstach ham wer den Vorstand vonne Skatbrüda abjewählt. So, wie ick dit mir vorjestellt hatte. Der olle Justav konnte ja schon nich mehr zwischen Re und Kontra untascheidn. Und Sonntach? Na die Demjokraten natürlich. Wat denn sonst – bei meene Familje.“
„Ja, wat, wie…“ Den Rest höre ich nicht mehr, denn ich habe ja noch zehn Bahnen vor mir. Und die Zeit ist knapp. Schließlich muss auch ich um acht draußen sein.
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Hi,
Thank you for the great quality of your blog, each time i come here, i’m amazed.
black hattitude.
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großartiger text. und das wort „ausjewiefter demjokrat“ sollte es ins pantheon politischer begriffe schaffen. damit werde ich demnächst sigmar gabriel beschreiben, ich glaube, der ist genau das, ein „ausjewiefter demjokrat“
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