Lieber Jens-Paul Wollenberg!

Gerade habe ich von Dir gelesen. Gelesen, dass Du immer noch dabei bist. Immer noch Pazifist, immer noch Barde, immer noch Sänger. Das ist schön. Ich weiß zwar nicht, ob Du diesen, offenen Brief, jemals lesen wirst. Ich möchte ihn aber trotzdem schreiben.

Denn es geht um damals, um Erinnerungen. Wie schon so oft hier in diesem Blog. Um Erinnerungen, die mich immer mal wieder einholen, überholen. Die aus Hirnschubladen qellen, hervorkommen, sich durch Jahrzehnte in die Gegenwart kämpfen. Weil es einen Anstoß gab. Irgendetwas. Ein Schlüssel zu alten Türen. Diesmal war es nur ein einziges Wort. Combo. In irgendeiner Zeitung laß ich heute das Wort Combo.

Während nun andere vielleicht eher an die Stern Combo Meißen denken würde, erschien in meinem Hirn ein anderer Name: Münzenberger Gevatterncombo. Deine Band, damals. Deine verbotene Band. Während die Damen und Herren von den Kreis- und Bezirkskulturkabinetten Euch nicht haben wollten, führte spätestens das bei uns zum Gegenteil. Wir wollten immer mehr von Euch. Jedes Konzert der Gevatterncombo war ein Höhepunkt. Ob in Halle, in Eurer Heimat Quedlinburg, in Leipzig oder in Merseburg.

Aber wir haben Euch nicht nur zugehört, sondern nachgeeifert und -gesungen (sozusagen gecovert).  Ich spielte damals nicht die erste aber die einzige Geige bei „Fliegenpilz“, oder auch „Fliepi“ genannt. Die Band von Schorschi. Der übrigens nicht mehr unter uns weilt, falls Du das noch nicht gewusst haben solltest. Schorschi starb am 30. Dezember 2007 in Halle. Sein ach so gutes Herz war am Ende zu schwach.

Aber zurück zu den Gevattern. Sogar im Jugenclub in Halle Neustadt habt Ihr gespielt. Ein Novum damals und unvergessen. Welcher andere (FDJ)-Klub konnte schon von sich behaupten, ein Konzert von und mit Euch erlebt zu haben? Und dazu noch Besuche von Hedo aus Hamburg (zum 5-Jährigen Fliepi-Geburtstag, auf dem Foto zusammen mit „Quickborn“). Noch heute frage ich mich manchmal, wieso das alles so reibungslos über die FDJ-Bühne gegangen ist. Verbotene Bands und West-Besuche. Im FDJ-Klub.

Besonders jedoch Deine Frank-Wedekind-Nummer „Ich habe meine Tante geschlachtet“ war noch Wochen, wenn nicht sogar Monate Gesprächsthema bei allen Gästen des Konzertes. Niemand zweifelte damals im Geringsten, dass Du diese Tat hättest auch durchaus begangen haben können. So überzeugend kam das rüber.

Aber auch Eure anderen Lieder gingen durch Mark und Bein. Die Gevatterncombo hatte es eben irgendwo besonders gut drauf. Und ließ sich eben auch nicht unterkriegen. Und anpassen schon gar nicht. Dazu hattet Ihr auch noch einen hervorragenden Bandoneon-Spieler. Der und dazu Deine Stimme, das war schon etwas ganz Besonderes. Einige Lieder haben wir später übernommen. Zuerst bei Fliepi in Halle und dann bei „Schreihals“ in Erfurt. „Die Räuber aus dem Böhmerwald“ und „Johann Meusel“ gehören noch heute auf jeder unserer Partys zum Standard-Programm.

Lieber Jens-Paul Wollenberg, Du bist der Erste, den ich hier in einer losen Folge „offener Briefe“ geschrieben habe, Briefe an andere sollen folgen. Ich hoffe, Du bist noch lange mit viel Spaß auf Straßen und Bühnen unterwegs.

Hochachtungsvoll, dankbar und immer noch in großer Verehrung

Ole

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2 Kommentare zu “Lieber Jens-Paul Wollenberg!

  1. Grüß Dich. Magst du mir bitte sagen, wie dein Blog Theme heißt? Ich würde es gerne auch für meine Seite nutzen. Danke!

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