Magdeburg-Berlin. 1 Stunde und 35 Minuten Fahrtzeit mit der Bahn. Wenn sie pünktlich ist. Doch das ist sie nicht. Und die fahrt führt durch Brandenburg. „Wir haben derzeit 20 Minuten Verspätung“, hieß es zwischen Magdeburg und Berlin. Nach 20 Minuten reiner Fahrtzeit. „Der Grund ist ein tätlicher Angriff auf unsere Kundenbetreuer und der damit verbundene erforderliche Polizeieinsatz.“ Tätlicher Angriff? Früh um 7 Uhr?
Normale Sache wohl. Keiner der Fahrgäste muckt auf, keiner murrt. Nicht eine Beschwerde. <Nicht zu fassen, denke ich noch bei mir, als der Zug schon wieder anhält. Auf freier Strecke. Ein Angriff? Auf den Schaffner? Oder hat es diesmal den Lokführer erwischt? Wir werden es nicht erfahren, denn die Bahn hüllt sich in Schweigen. Kurze Zeit später dann doch noch eine Meldung. „Wegen der Verspätung wechselt der Zug in Brandenburg seinen Takt und fährt nicht nach Eisenhüttenstadt sondern nach Frankfurt Oder weiter. Wir bitten dies zu entschuldigen.“ Unser Zug fällt also ganz aus und ist ab sofort ein anderer.
Es geht weiter, doch nur ein Stück. Kurz hinter Brandenburg bremst der Zug ab, wir fahren etwa fünf Minuten mit zehn Stundenkilometer durch die Botanik. Der zweite Juni 2010 in Brandenburg ist nasskalt und grau. So fügt sich der Monatsanfang perfekt in die Gegend, ergänzt die an der Strecke liegenden Orte und Bahnhöfe in einer fast beängstigenden Symbiose. Die meisten Bahnhöfe an der Strecke sind Haltestellen. „Der hält ja an jeder Milchkanne“, hat man in tiefsten Ostzeiten gesagt, wenn der Personenzug eben an jeder dieser Orte hielt. Das ist heute nicht anders. Nur sehen jene Haltestellen noch etwas vergammelter aus.
Zwei Bahnsteige links und rechts der Gleise. Zwei Wartehäuschen aus Vorkriegszeiten, ein Ortsschild. Götz. Oder Groß Kreutz. Glücklich, wer da nicht aussteigen muss. Da, wo es noch Bahnhöfe gibt, will man auch nicht aussteigen müssen. Zugemauerte Ruinenfenster erinnern an Halles Altstadt 1973. Oder an „Erfurt vor der Wende“. „Anti FCM“ steht da in großen Lettern. Und Fuck und Hartz sieben. Manches Mauerwerk hat sich die Natur zurück geholt. Da sieht es schön aus. Doch schöne Anblicke sind eher selten. Auf der Bahnstrecke zwischen Magdeburg und Berlin. Rainald Grebe hat recht.
(geschrieben während der Zugfahrt auf meinem neuen Asus Eee PC)
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