Fuß(ball)volk Deutschland

Alle vier Jahre kommt sie wieder. Diese eine Frage. Wie ein wiederkehrender Horror, eine Heimsuchung. Es ist, als ob alle vier Jahre die Geister aus der Vergangenheit wieder kommen würden, um sich zu rächen. Sie sind im Kopf, in den Träumen und in machen Momenten spürbar im Raum. Und alle quälen sie mich mit jener einen Frage: Warum nur? Warum nur geht mir Fußball grundsätzlich und meistens am Arsch vorbei?

Ist es eine angeborene Störung im Kleinhirn? Oder liegt die Ursache, wie in anderen Fällen, weit zurück in der Kindheit? Das könnte es sein, denk ich mir manchmal. Denn damals, als Freunde und Schulkamerade das Leder kickten, ging ich zur Musikschule. Violine lernen. Wenn Freundschaftspiele hinter dem Haus stattfanden, quälte ich mein Instrument. Wenn die Jungs sich zum Torwandschießen trafen, büffelte ich Noten und Takte.

Oder aber liegt es an meinen Fußball-Live-Erlebnissen in der Jugend? Immerhin war ich jahrelang bekennender HFC-Fan. Mit Schal. Mit Aufnäher auf der Ein-Strich-Kein-Strich-Jacke. Jeden zweiten Samstag ging´s ab ins Kurt Wabbel Stadion, ab und an sogar zum Auswärtsspiel. Doch eigentlich waren das die schönsten Tage der Woche. Daran kann es also nicht liegen.

Oder ist die Ursache in der Gegenwart zu suchen? Hier, im Jetzt? Vielleicht ist ja das Volk nicht ganz unschuldig? Das Fuß(ball)volk Deutschland. Das sich alle vier Jahre in Gesicht und Auto schwarzrotgold schminkt und schmückt, bei jedem Tor Silvesterböller zündet und so tut, als es ein Volk wär? Ich glaube, da kommen wir der Sache schon näher. Das Volk ist es, was mich zum psychisch gestörten Außenseiter macht. Ja genau, das ist es!

Weil auf einmal die Glatzen Pankows beim Türken sitzen, sich bei den richtigen Toren um die Arme fallen, gegenseitig auf die Schulter klopfen, während im TV die dazu passenden Sprüche kommen. Weil in den Augen der Kollegen nur noch das runde Leder glänzt, jeder Arbeitstag mit Fußball beginnt und endet, jedes andere Thema mit einem müden Lächeln quittiert wird. Weil Freunde gemeinsam geplante Treffen zur Vorbereitung von Geburtstagsfeiern absagen („Ist doch den ganzen Tag WM“). Weil es immer wieder nervige Lieder gibt, die das deutsche Fuß(ball)volk auch noch gut findet. Und, weil es die Fankurve fürs iPhone gibt.

So, muss jetzt mal hier aufhören. Deutschland-Serbien fängt an.

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