Pearl Jam & Gotano-Tonic bei Otto Bauke

Ich habe ja auch schon ne Menge ausprobiert. Was Drogen betrifft. Angefangen hat alles mit Halleschen Hell, Sternburg Pils und Pfeffi. Und Goldi und Kiwi. Später kamen dann diverse Mixgetränke dazu, heute auch Longdrinks genannt. WC, also Wodka- oder Weinbrand-Cola, Wodka-Bitterlemon, seltener Wodka-Orangensaft. Besonders auf Montage waren die Kollegen und ich nicht abgeneigt, auch mal ne Bierbowle zu trinken. Als dei Freunde aus dem Westen, die wir in Rumänien kennengelernt hatte, zum ersten Mal nach Erfurt kamen, gab es die ersten Tequila Sunrise. Und die erste Buddel Johnnie Walker.

Geraucht wurde im Osten damals aber nur Tabak. Karo, Alte Juwel, F6, Semper, Cabinet. Auch mal Club, selten Duett. Oder selbst gedrehte. Was aber meistens an dem oft vertrockneten Tabak scheiterte. Wenn Geld da war, gab´s Zigaretten aus der Schachtel. Karo 1,60; Semper, Cabinet und F6 3,20; Club 4,00; Duett 7,00; Alte Juewl 2,50. Alles in Ostmark. Die Kiste Bier kam 14,40; Goldi „zehn vor drei“ 14,50. Glücklich war, wer Freunde in der Bergarbeiterzunft oder bei Jenapharm hatte. Da gab´s dann billigen Grubenfusel oder Turi Vital (wurde das so geschrieben?).

Und alles war erlaubt, nichts illegal. Drogen gab´s immer und meistens auch genug. Sonst wären wir schon lange vor 89 auf die Barrikaden gegangen. Erzählt man sich heute. Beliebt war auch Gotano. Ein Wermut aus Ostproduktion. So begab es sich einem Macbeth-Konzert (da hießen sie wohl schon Caiman, oder auch nicht) in Gotha, dass im Backstage-Bereich eine ganze Palette von diesem Zeug rumstand. Die hatte da nichts verloren, konnte also nur beseite geschaftte Ware sein. Nach kurzer Unterredung von Band, Roadies und mitreisenden Fans wurde „ein paar“ Flaschen kurzerhand geköpft und ausgetrunken. Wenn ich mich recht entsinne, ging es mir den kompletten nächsten Tag ziemlich schlecht.

Gotano gab es in rot und weiß. Den weißen haben wir „auf Arbeit“ mit Tonic gemischt getrunken. Als ich noch Handwerker bei der HO war. Wenn man über den Hof unserer Werkstatt von der Erfurter Grafengasse aus (heute C&A) ging, gelangte man durch eine Hintertür in das Geschäft „Otto Bauke & Nachfolger“. Wo es heute Schreibwaren gibt, konnte man bis 89 Schnaps und Zigaretten erwerben. Aber nicht nur das. Im hinteren Bereich, geschützt durch einen Vorhang, war ein kleiner Tresen, an dem der Chef an diverse Stammkunden und an die Handwerker der Stadt Schnaps, Wein und eben Gotano-Tonic ausschenkte. Für ein kleines Geld. Billig für uns. Aber genug für einen kleinen Zusatzverdienst für Bauke. Ab Freitag Mittag stand die komplette Handwerkerschaft der HO hinterm Vorhang und gab sich die Kante. Ein Glück, dass meine Wohnung in der Marstallstraße nur ein Katzensprung entfernt war. Obwohl es wiederum oft genug von da noch ins „Café S“ in der Schillerstraße ging. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück zu den Drogen. Die illegalen kamen, wer hätte das gedacht, natürlich erst nach der Wende. Die ersten Menschen aus den alten Bundesländern, die sich rüber trauten, brachten nicht nur überteuerte Versicherungen und Gebrauchtwagen in den Osten. Der eine oder andere hatte auch Gras dabei, oder Dope, oder Speed, oder Kokain, oder Pilze. Nicht jeder wurde mit allem beschissen. Aber jeder Ossi schloss entweder ein Versicherung ab oder kaufte einen Westwagen. Manche machten auch beides. Oder aber man griff gleich zu den Drogen. Ja, ich habe auch Gras geraucht. Ja, ich habe Kekse mit Dope gegessen. Und so manchen Muntermacher und Durchhalter gab es auch.

Heute nun habe ich eine weitere Droge entdeckt. Musik gehört ja sowieso schon immer dazu. Besonders, wenn man selbst Mucker ist. Dann geht es ohne gar nicht mehr. Heute nun war ich wieder mal joggen. Nach meinen obligatorischen zehn Runden im Kissingen-Stadion hing ich noch Liegestütze sowie Rumpfbeugen dran. Dann lag ich da, komplett aus der Puste, glotzte in den Himmel. Auf dem Musikplayer fing im gleichen Moment „Unthought Known“ von Pearl Jam an. Man, da sah ich auf einmal einen grünen Himmel voller roter und blauer Linien. Der Air-Berlin-Airbus im Anflug auf Tegel sah wie ein altmodisches Luftschiff aus. Ich dachte an den bevorstehenden USA-Urlaub und auf einmal war alles perfekt und schön. Das kann nur ne Droge sein. Das muss ich gleich morgen noch einmal probieren.

Jetzt gibt´s aber erst mal n Glas Wein. Schließlich sollte jeder bei seinen gewohnten Drogen bleiben.

4 Kommentare zu “Pearl Jam & Gotano-Tonic bei Otto Bauke

  1. Erinnert sich noch einer an KoKo (war glaube ich zum Einreiben auf die Stirn gegen Kopfschmerzen gedacht) – das haben wir aus Mangel bzw. als Mutprobe gesoffen.
    Roger wäre einmal fast dabei der Hals geplatzt…

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  2. Eine Droge fehlt. Für Arme Ossis gabs noch im Gemüseladen unter der Partywohnung (die sicher auch noch eine Geschichte wert ist) den legendären Mehrfruchttischwein für 1,10 MDN oder Schaalaer Wermut (Die Flasche war mit Korkenzieher nicht zu öffnen – meistens haben wir den Flaschenhals an der Tischkante einfach abgeschlagen und dann feierlich durch ein Sieb ins Glas serviert).

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