Das interssiert schon lange niemanden mehr, keiner bleibt da stehen. Hier in Berlin, Kurfürstendamm/Ecke Joachimsthaler Straße, wo sich an Werk- und Wochenendtagen eine kleine Sekte mit einem Klapptisch breitzumachen versucht. Der mit roten Tüchern eingefasste Tisch erinnert immer wieder an einen schlechten Wahlwerbespot linker Parteien. Die drei bis vier Hanseln, die mit Stress-Tests Ron-Hubbard-Bücher an Frau und Mann bringen wollen, tun dies seit langem schon vergeblich. Einzig betrunkene Fußball- und andere Fans, die grad eben aus der benachbarten Sportsbar taumeln, lassen sich ab und an noch für ein Gespräch breitklopfen.
Aber meist nur mit dem Ergebnis, dass sie den Hubbard-Jüngern Dresche androhen oder ihnen vor die Füße kotzen. Dianetik ist nichts für Fans, die schon mit der Dialektik ihre Schwierigkeiten haben. Nüchtern betrachtet werden die Scientologen und ihr Klapptisch derzeit nur noch von amerikanischen Touristen. Aber selbst diese schauen auf den Sektentisch wie deutsche Touristen auf ein Bockwurst-Imbiss in Nevada. Ein leichtes wissendes Lächeln im Vorrübergehen, aber sich doch peinlich berührt abwendend.
Seit heute sind jedoch sie da. Die Kämpfer der Geächteten Sekten-Opfer, die Warner, die Aufklärer. Fünf Meter entfernt von der Klapptisch-Sekte stehen sie und warnen vor den Machenschaften Scientologys. „Da vorne steht die Psychosekte. Vorsicht, gehen Sie da bloß nicht hin“, rufen die JüngerInnen hinter Masken versteckt und und wedeln dabei mit „Vorsicht Scientology“-Schildern. Jede und jeder, der vorbei kommt, wird angesprochen, angerufen. „Sie da! Sie wollen doch nicht etwa?“ Doch, der eine oder die andere will! Auf einmal. Vorher wollte gar keiner. Schon gar nicht Scientology.
Es kam aber (zum Glück), was kommen musste. Mitten in der Touristen-Schar am Kudamm kam zufälligerweise auch ein echter Balina des Wegs. Verlaufen oder Absicht, das lässt sich nicht mehr klären. Etwa 70 Jahre jung, Cordhose, weißes Hemd, Jacket. Goldrahmenbrille und Krückstock inklusive. „Junge Frau“, sprach der Alte, “ nu mach ma nich so´n Jeschrei hier, wa? Dit mit die komische Sekte da vorn, dit interessiert hier keen Aas. Also musste hier nich so rumschrein, wir sinn nich doof. Du kommst mit vor, Kleene, als wennste hier Werbung für die machst, oder wat? Ick werd Dir Beene machen, Froillein.“
Kurze Zeit später war der Bockwurst-Hubbard-Stand wieder das, was er vorher war. Ein rotbetuchter Klapptisch ein paar Hanseln auf Weltraumtour zu Ron Hubbard. Jenseits des Kudamms und jeglicher Realität. Und vor allem ohne Interesse. Jede Bockwurst hat mehr zu erzählen.