Alle Jahre wieder und besonders in den Jubeljahren mit der Null hintendran wird gern und oft und manchmal auch viel über die Zone geschrieben. Über die Ostzone im Speziellen. Und natürlich immer wieder auch über deren Bewohner. Die zwar immer noch in der Zone wohnen. Aber zum Westen gehören. Also über uns. Mächtig viel geschrieben haben im 20. Jahr der Annexion die Autoren des SZ-Magazins. „Ein Heft voller Hass“, sagte am Wochenende eine Kollegin. Nun, ganz so krass würde ich es nicht bezeichnen. Andererseits ist nach der Lektüre eins klar: Das alles haben westdeutsche Kollegen geschrieben. Diskriminierung 2.0 heißt das bei ppq.
Nur fünf Prozent der deutschen Elite käme aus dem Osten, schreibt das Magazin. Und fragt: Warum? Spätestens dieser Stelle wird klar, dass die Autoren nicht aus dem Osten stammen können. Denn sonst wüssten sie die Antwort auf alle ihre offenen Ost-West-Fragen. So manch hoher Posten in Industrie oder bei den Medien beruht eben nicht unbedingt auf die Mehr-Erfahrung, auf das höhere Wissen. Viele dieser Jobs sind nur zu bekommen, wenn man eine harte Ellenbogen-Mentalität an den Tag legt. Es sind die, die über Leichen gehen. Denen das Schicksal ihrer Vorgänger und das von so manchen Untergebenen scheißegal ist.
Karriere vor Familie, Job vor Privat, Kohle vor Freundschaft. Auf Teufel komm raus den nächst höheren Posten ergattern. Egal, welche Mittel dazu nötig sind. Dieses Macht-Gen besitzen wir im Osten eben nicht. Wollen wir auch gar nicht. Aufgewachsen in der „ehemaligen DDR“, wie Westmedien gerne schreiben und verlautbaren, haben wir andere Prioritäten in unserem Leben gesetzt. Freundschaft vor Kohle, Familie vor Job. Nicht immer gut für den Geldbeutel. Aber ehrlicher. Mein wichtigster Termin im Jahr ist das Treffen mit Freunden zu Himmelfahrt. Da geht nichts drüber. Was manche meiner Kollegen aus den alten Budnesländern nicht begreifen können. Oder nicht wollen.
Kein Chefredakteur einer Zeitung stamme aus den neuen Bundesländern, heißt es weiter im SZ-Magazin. Wie sehr sich gerade auch immer noch genau diese westdeutschen Chefredakteure irren, was den Osten angeht, zeigt Super-Illu-Chefredakteur Jochen Wolff. Er durtfte sich im SZ-Magazin als Ost-Experte zu verschiedenen Themen äußern. Unter Karriere schriebt er u.a.: „War in der DDR ein Arbeiter krank, kam nach zwei Tagen eine Abordnung aus dem Betrieb vorbei und hat sich erkundigt, wie es geht…“ Also wenn überhaupt jemand vom Betrieb vorbei kam, während man „Kasse“ machte, dann nur, um einen anzuscheißen, dass man sich gefälligst schnellstens wieder auf Arbeit begeben solle. Aber das kann Wolff ja nicht wissen. Kommt ja aus Bayern.
Und genau das haben wir im Osten denen im Westen immer voraus: Wir haben beides erlebt. Den DDR-Sozialismus mit all seinen Nachteilen, mit all seinen schönen Seiten. Und die aktuelle bundesdeutsche Gesellschafts mit all ihren Vorteilen. Und all ihren schlechten Seiten.
Großartig, genau das habe ich neulich auch gesagt. Wobei der noch größere Vorteil ist: Die wissen nicht mal, was ihnen entging.
LikeLike