Stammtisch OE

Stammtisch Operativer Einsatz

Treff Alter Stasi-Genossen jeden Freitag in der „Frohen Aussicht“ in Marzahn-Hellersdorf

Nur eben keine Westautos

(20. Mai 2017)

Freitagabend in der „Frohen Aussicht“ in Marzahn-Hellersdorf. Wirtin Karin hat viel zu tun, das Lokal ist voll und im Hinterzimmer hat sich der Stammtisch Operativer Einsatz eingefunden. Walter Z. (78), der alte Plattenbau-IM, der einstige Führungsoffizier Herbert K. (75), Günter P. (77), Major a.D. des Ministeriums für Staatssicherheit, NVA- Oberstleutnant a.D. Eberhard K. (80)  und natürlich Illjuschin (Alter und Nachname unbekannt), der Kopf der alten Kämpfer. Seit einem Jahr ist Franz D. (81) dabei, einst Generalmajor des Ministeriums für Staatssicherheit und dort enger Mitarbeiter Schalck-Golodkowskis in der AG BKK (Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung) im Zuständigkeitsbereich der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. D. war nach dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren nach Berlin gezogen und hatte in alten Akten (die er 1989 persönlich gerettet hatte) herausgefunden, wohin man in Berlin als alter Stasi-Kämpfer ziehen muss: fußläufig zur „Frohen Aussicht“.

„Karin, mach mal ne Runde auf meinen Zettel“, sagt Franz D. ganz im alten Befehlston, den er sich partout nicht abgewöhnen kann. Die Wirtin kennt das aber und hat sich längst daran gewöhnt. Dafür schauen ihn alle anderen OE-Stammtischler verwundert an. „Wat n mit Dir los, Franz? Haste im Lotto jewonnen?“, fragt Walter Z. „Oda jibs die Runde uff dein neues Auto. Ick habs jestan jesehn. Schämste dir wenigstens ein bisschen?“, fügt er an. Franz D. nickt. „Zu meiner Verteidigung: Ich habe es nicht gekauft. Es ist ein Erbstück.“ Eberhard K. schüttelt ungläubig den Kopf. „Wat und vor allem von wem willst du denn erben? Mit deinen 80 Lenzen?“ Bevor Franz D. antworten kann, kommt Karin dazwischen und stellt sechs 0,3er Pils und sechs einfache Nordhäuser Doko auf den Tisch. „Alles auf mich“, sagt Franz D. und schiebt seinen Bierdeckel an den Tischrand, damit Karin die Runde anstreichen kann.

„Also, dann auf deine Schande“, sagt nun Illjuschin, der sonst wenig sagt oder eigentlich gar nichts. Es gibt jedoch Themen, da kann er sich nicht zurückhalten. „Naja, Schande ist wohl ein bisschen übertrieben, oder? Und jetzt erst einmal Prost“, sagt Franz D, der dabei an das Auto denkt, das seit drei Tagen ihm gehört. „Eine Cousine im Westen hat mich als Erben eingesetzt, da ich ihr letzter Verwandter war“, begründet Franz D. nun die Neuanschaffung. „Du meinst Klara?“, hakt Günter P. nach. „Die meine ich. Aber woher kennst du denn die Klara?“, fragt Franz D. und wird sich im gleichen Moment wieder bewusst, mit wem er am Tisch sitzt. Günter P. runzelt die Stirn. „Klara, geborene Schultze, verheiratete Peters. Keine Kinder. Lehrerin für Staatsbürgerkunde und Geschichte an der Polytechnischen Oberschule Klement Gottwald in Halle Neustadt. 1992 Republikflucht, also Umzug nach Rendsburg. Richtig, oder?“ fragt Günter P. und klopft dabei Franz D. auf die Schulter. „Wir wollen doch wissen, mit wem wir am Tisch sitzen“, sagt Herbert K. und zwinkert Franz D. zu.

„Und wat willste nun damit machen? Mit dem Westauto?“, fragt jetzt Walter Z. und zeigt mit dem halbleeren Bierglas auf Franz D. „Äh, ich werde, ähm, den Mercedes natürlich schnellstmöglich verkaufen. Und der Erlös, ähm, wird zum Teil, ähm, in die Stammtisch-Kasse fließen“, stottert Franz D. und bestellt zum Zeichen seiner Einsicht noch eine Runde Pils und Doppelkorn für die Lada und Saporoshez fahrenden Genossen vom Stammtisch Operativer Einsatz. Ein Stammtisch, bei dem fast alles (aus dem Osten) erlaubt ist. Nur eben keine Westautos.

Operation Heraklion (03.07.15)

lada_taiga_01a„Haste Ouzo jeholt?“, ruft Walter schon an der Tür in Richtung Tresen, als er das Lokal „Frohe Aussicht“ in Marzahn-Hellersdorf betritt. Wirtin Karin nickt ihm von Weitem zu. „Klar, habter doch letzte Woche bestellt. Also hab ick Ouzo  jekooft. Sojar drei Sorten. Könnter gleich testen“. Walter Z. (76), der alte Plattenbau-IM, hinkt durchs Lokal (Folgen eines Sturzes bei der Schrebergartenarbeit) und schiebt zwischen Herrentoilette und Tresen den Vorhang beiseite. Die Tür dahinter steht offen und Walter betritt das Hinterzimmer der „Frohen Aussicht“. Er ist heute der erste vom Stammtisch Operativer Einsatz. Hier treffen sie sich jeden Freitag. Und das nun schon seit knapp 40 Jahren.

Zum Stamm gehören neben Walter der einstige Führungsoffizier Herbert K. (73, auch heute noch der Stratege), Günter P. (77), Major a.D. des Ministeriums für Staatssicherheit und seit drei Tagen stolzer Besitzer eines nagelneuen Lada Taiga Jagd „Stark im Revier“ (deshalb will er heute eine Runde Wodka schmeißen, wird aber wohl wegen des aktuellen Anlasses eher eine Runde Ouzo werden, davon weiß er aber noch nichts), NVA- Oberstleutnant a.D. Eberhard W. (80)  und natürlich Illjuschin (Alter unbekannt, geschätzt Mitte 70), der Kopf der alten Kämpfer.

stasi_emblem_ddrUm Aufnahme in die Stammtischrunde buhlt seit einigen Wochen Franz D. (79), einst Generalmajor des Ministeriums für Staatssicherheit und dort enger Mitarbeiter Schalck-Golodkowskis in der AG BKK (Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung) im Zuständigkeitsbereich der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg (heute Mecklenburg-Vorpommern). D. lebte bis vor Kurzem noch in Rottach-Egern als Nachbar seines ehemaligen Chefs. Nach dessen Tod zog es D. nun in die alte DDR-Hauptstadt, um wieder „unter seinesgleichen zu sein“, wie er seinen Umzug nach Berlin begründet hatte. Die Stammtischler wollen heute über seinen Antrag entscheiden.

Kurz nach der Ankunft von Walter Z. sind nun auch alle anderen im Hinterzimmer der „Frohen Aussicht“ eingetroffen.  Jeder hat ein 0,25-Liter Pils vor sich stehen, natürlich gezapft in die alten unkaputtbaren Gläser, die Wirtin Karin exklusiv für die Herren des Stammtisches aus dem Schrank holt. Wie früher eben. Fast. Der Unterschied liegt im Preis. Als der Stammtisch 1975 gegründet wurde, kostete hier das 0,25er Helle 40 Pfennige. Das Helle ist nun ein Pils und schlägt pro Glas mit 1,90 Euro zu Buche. „Zum Wohl, meine Herren, diese Runde geht auf mich. Und es soll nicht die letzte sein“, schmettert Franz D. in die Runde. Die anderen nicken ihm kurz zu, prosten sich gegenseitig zu und trinken das erste Pils traditionell auf ex. Karin steht derweil mit der nächsten Runde bereit und schon haben wieder alle ein volles Glas.

Günter P. ergreift das Wort. „Also, meine Herren. Wie habt ihr euch entschieden? Sollten wir Franz in unsere Runde aufnehmen? Ich jedenfalls bin dafür.“ Die anderen am Tisch murmeln zustimmend und Stratege Herbert hebt beide Hände. Sofort ist Ruhe in der Runde. „Ich würde sagen“, setzt Herbert an, „als letzten Treuebeweis sollte Franz die Operation Heraklion durchführen. Dann wissen wir genau, ob er zu uns passt oder eher nicht. Was sagt ihr dazu?“ „Das ist ein Wort, so machen wir das“, antwortet Illjuschin. Alle anderen nicken. „Operation Heraklion?“, fragt Franz D. vorsichtig und schaut fragend in die Runde.  „Du weißt nicht, worum es geht?“, fragt Eberhard W. und schaut Franz zweifelnd an. „Also wenn ich ehrlich sein soll…“

„Keine Bange“, ruft im selben Moment Karin, die mit einem Tablett gefüllter Schnapsgläser das Hinterzimmer betritt. „Du musst heute Abend eben nur alle Schnäpse bezahlen“, sagt die Wirtin und stellt jedem drei gefüllte 2-cl-Gläser auf den Tisch. „Das mach ich gerne, Genossen“, sagt Franz und erhebt eines der Schnapsgläser. „Aber warum Heraklion?“ „Trink nur, dann wirst du es schon merken“, sagt Herbert und schüttet sich den ersten Ouzo hinter die Binde. Drei Stunden später sind drei Flaschen Ouzo geleert, die Stammtischler sind betrunkener als gewöhnlich, der Lada Taiga Jagd ist getauft und Franz D. ist „ehrenhaft“ in die Runde aufgenommen. Mit Spannung erwarten seine neuen alten Genossen die Geschichten aus der AG BKK. So, wie wir auch.

(Fortsetzung folgt…)

Keine Wahl (16.09.13)

Freitagabend in Marzahn-Hellersdorf. Die „Frohe Aussicht“ ist gut besucht. Hinter der Theke natürlich, wie jeden Freitag (und Samstag) die Karin. Hat sich heute ein Dirndl angezogen. Mit einem tiefen Ausschnitt. Der sorgt für Umsatz. Denkt Karin. Und hat Recht.  Zumindest Paule und Mucki leisten sich heute mal wieder Molle und Korn. Sitzen am Tresen und haben vor lauter Dekolleté-Anstarren ganz vergessen, sich die neusten Storys aus dem Jobcenter zu erzählen. Am Tisch neben der Tür, wo sonst der blinde Rentner mit Mischlingshündin Cindy sitzt, gucken zwei, scheinbar verirrte, asiatische Touristen in die Speisekarte, die ihnen Karin gebracht hat. Handgeschrieben. „Vastehta deutsch? Denn kann icke Euch och sagen, wat heute vonne Küche kommen tut. Schnipo, Bowu, Curry oda Bulette mit Kartoffelsalat. Nich hausjemacht. Dit kann icke mir nich mehr leisten.“

Die beiden Asiaten schütteln den Kopf und zeigen auf die Currywurst, die Manne grad am Nachbartisch mampft und auf das Hefeweizenglas auf dem Fensterbrett, in dem (schon immer, eigentlich. Oder nicht?) drei rote Stoffnelken stecken. „Also zwee ma Curry und zwee Hefe. Bring ick Euch.“
Karin saust hinter die Theke, ruft in Richtung Küche „Harry, zweema Curry mit Pommes“ und verschwindet dann hinter dem schweren vergilbten Stoffvorhang, hinter dem sich das Hinterzimmer befindet. Dort sitzen, auch wie jeden Freitag (und das schon seit Mitte der 80er),  die Herren vom Stammtisch Operativer Einsatz: Günter P. (75), Major a.D. des Ministeriums für Staatssicherheit, NVA- Oberstleutnant a.D. Eberhard W. (78),  Herbert K. (71), der alte Führungs-Stratege,  Plattenbau-IM Walter Z. (74) und natürlich Illjuschin (Alter unbekannt, geschätzt Anfang 70), der Kopf der alten Kämpfer.

„Na, wolln die Herren noch ein Ründchen?“ fragt Karin und sammelt die leeren Biertulpen ein. „Ja, mach mal, Schätzchen“, sagt der Herbert, „die Runde jeht uff mich.“ Die anderen Strategen schauen ihren Kampf- und Weggefährten etwas verwundert an. „Haste im Lotto jewonn? Oda jehts in Urlaub?“, fragt Walter, währenstasi_emblem_ddrd er sich Notizen in seinem kleinen Schreibblock macht. Das hat er sich noch nicht abgewöhnen können. Seitdem er in seiner Platte nicht mehr offiziell als IM arbeiten darf und kann, schreibt Z. alles privat auf. Über seine Nachbarn, über die Russen im Haus gegenüber, wann wer mit welchem Auto ankommt und abfährt, wer mit wem sich unterhält. Hier, beim Stammtisch, ist er deshalb zum Schriftführer ernannt worden. Und kann deshalb für fast alle Stammtisch-Treffen sagen, wer wieviel getrunken, gegessen, wer bezahlt hat. Seine Stammtischprotokolle sind  inzwischen mehrere Aktenordner lang. Denn Walter Z. schreibt dann zuhause alles noch einmal mit seiner Erika-Schreibmaschine ab und heftet es ordentlich ab, geordnet nach Namen und Alphabet. Von Computern hält Z. nichts. „Errungenschaften des Imperialismus kommen nicht in mein Heim“, pflegt er zu sagen. Obwohl natürlich auch er Ausnahmen macht. Wie könnte er sonst Opel Astra fahren?

„Nein“, sagt der Herbert. „Ick wollte nur mal ne Runde jeben, um mit Euch nochmal auf unseren erfolgreichen Wahlkampf anzustoßen. Der Osten wählt rot – das haben wir den Parteijenossen doch wieder einmal jut untajejubelt, oda?“ Die Stammtisch-Genossen nicken beifällig. „Aba noch is ja nich jewählt“,  mein Eberhard und verteilt die Biertulpen und Körnchen vom Tablett, das Karin („macht mal selba“) auf den Tisch gestellt hatte.  „Und doch bin icke übazeugt, dass wir die 47,7 Prozentchen von 2009 übabieten werden hier im Bezirk. Und nun erst ma Prösterchen.“ Die Genossen halten die Gläser nach alter Tradition mit angewinkeltem Arm ein paar Sekunden fest, schauen sich alle gegenseitig in die Augen (außer Günter, der sieht fast nichts mehr) und kippen dann die Körnchen ex hinunter.

„Nun mal aber ganz im Ernst. Warum seid Ihr so überzeugt, dass wir das Ergebnis von 2009 überbieten werden“, fragt nun Illjuschin, der sonst weniger und meistens gar nichts sagt. „Nun“, beginnt Walter, „wir haben dieses Jahr die Kampagne `Keine Wahl´ gestartet. Und die looft perfekt.“ Illjuschin schaut Walter fragend an. „Dit kann Dir Herbertchen bessa erklärn.“ Herbert nimmt noch ein Schlückchen Pils, schaut einmal ernst in die Runde und lächelt dann wissend: „Walter hat inzwischen Protokolle über alle, die in seinem Kiez wohnen. Und die meisten haben Dreck am Stecken. So sind wir in den letzten Wochen allesamt von Tür zu Tür und haben den Leuten erklärt: Entweder Ihr wählt Links, oder das eine oder andere sickert bei der Familie, beim Vermieter, beim Ehepartner oder gar bei der Zeitung durch. Ihr habt also keine Wahl. Und damit die uns nicht bescheißen, hatten wir natürlich gleich alle Briefwahl-Unterlagen dabei, die wir in deren Namen vorher schon bestellt hatten.“

„Mhm. Das schein mir mal wieder eine ordentliche Operation zu sein. Erinnert mich an die gute alte Zeit, damals, vor 89.  Glückwunsch Genossen“, sagt Illjuschin. Und: „Die nächste Runde geht auf mich. Ihr habt keine Wahl.“

Operation Mimi (01.09.10)

Freitagabend am Stadtrand des Berliner Ostens. Draußen ist es, obwohl erst Ende August, grau und nass. Die Plattenbauten im Kiez verschwinden hinter Regenschleiern, im Migrantentreff deutschstämmiger Weißrussen ist es verdächtig ruhig. Sonst dringen hier russische Soldatenlieder ans ostdeutsche Tageslicht. Der bettelnde Flaschensammler hat heute wohl auch etwas anderes vor, sein Platz vor dem Lidl ist leer. Auch von Rudi, dem pfeifenden Trinker mit der großen roten Nase und den prächtigen Zahnlücken, ist heute nichts zu sehen. Nur in der Wohngebietsgaststätte „Frohe Aussicht“ ist alles wie jeden Freitag.

Hinter der Theke Karin. Wie immer mit zuviel Schminke im Gesicht, wie immer sauer auf den Koch („Wat is nu mit dem Schnitzel? Du sollst kochen, nich saufen!“). Am Tresen Paule und Mucki, die sich bei Molle und Korn die neusten Geschichten aus dem Jobcenter erzählen. Vorn an der Tür sitzt der blinde Rentner mit Mischlingshündin Cindy. Den Namen des Mannes kennt hier keiner,  obwohl er auch schon seit 20 Jahren jeden Freitag da sitzt und seine zwei kleinen Pils trinkt. Hinten, am runden Tisch neben dem Tresen, sitzten, auch wie jeden Freitag,  die Herren vom Stammtisch „Operativer Einsatz“.

NVA- Oberstleutnant a.D. Eberhard W. (76),  Herbert K. (68), der alte Führungs-Stratege, Günter P. (73), Major a.D. des Ministeriums für Staatssicherheit, Plattenbau-IM Walter Z. (72) und natürlich Illjuschin, der Kopf der alten Kämpfer. Und diesmal darf ausnahmsweise auch ein Publizist und alter Mit-Kämpfer Platz nehmen. An diesem Freitag diskutierten die Herren lang und ausgiebig über das neue Buch von Thilo Sarrazin, über das Wetter sowie über den immer noch nicht geklärten Sachverhalt mit dem filmenden Internetunternehmen. Bis P. das Wort ergreift: „Jenossen, dat bringt doch alles nix. Wir müssen endlich die Gunst der Stunde nutzen. Lasst uns endlich handeln.“

„Jenau“, sagt K., während er mit den Fingern bei Karin eine neue Runde bestellt. „Wir ham da mal wat ausjearbeitet, dit muss jetze von Euch abjestimmt werden. Operation Mimi.“ „Oparazion Mimi, wat ssolln dass ssein“, fragt der schon leicht angetrunkene Z. „Mimi, das steht für Migration Informeller Mitarbeiter Immigration. Oder um es mal auch für dich verständlich auszudrücken: In jedem Dönerladen ein IM. Die längst fällige Unterwanderung der Migranten in Berlin“, erklärt Illjuschin. „Vorher müssen wir aber noch etwas anders klären“, sagt der Ex-KGBler mit ernstem Blick in die Runde.

„Sozusagen Operation Mimi Teil eins. Also, Du Günter, nimmst Kontakt zu dieser Firma Google auf. Triff Dich mit einem der verantwortlichen Dienststellenleiter dieses Ausspähdienstes. Am besten nutzt Du dazu die konspirative Wohnung in Charlottenburg. Schlüssel am bekannten Ort. Und dann bietest Du ihm an, was wir letzte Woche besprochen haben: Wir liefern für Street View alle angeforderten Zusatzinformationen wie Mieternamen samt persönlicher Daten, das Sexualverhalten der jeweiligen Bewohner, Musikjeschmack und so weiter. Du weißt schon, alles, was wir da haben. Im Gegenzug stellen die uns alle ihre Fotos ungepixelt zur Verfügung.“ Meinsste, dit klappt?“, fragt Z. „Ja sicher“, erwidert Illjuschin, „wenn die mitkriegen, was wir über die alles wissen, haben die gar keine andere Wahl.“ Und denn“, sagt Günter, „denn folgt Operation Mimi zwei. Aba erstma Prost, Jenossen. Uff Mimi eins!“

Der Osten zeigt, wo es lang geht (18.10.10)

Während sich Deutschland nur noch für Chilenisches Metall, Popstars und die Kapriolen eines schweizerischen Wetterfrosches interessiert, haben gewitzte Ost-Unternehmer die Gunst der TV-Glotzstunden genutzt. Als im Fersehen bei parallelen Live-Schaltungen Gerichtsverhandlung, Klimavorghersage, Frauentausch und Minenarbeiter-Rettung liefen, filmte Laura Jedebuisch aus Halle die ganze Stadt. Nach Berlin Street View, was in der Hauptstadt schon für Furore sorgte,  gibt es somit nun auch Halle Street View. Nachdem immer mehr, plötzlich vom Foto getroffene, Deutsche nicht wollten, dass man ihre schmutzige Wäsche und nciht versicherten Luxuskarossen auf Google-Street-View sieht, ergreifen nun andere Deutschewie Jedebusch  die Initiative und filmen selbst.

„Nur weil hier kaum noch Menschen leben und diese Menschen dann auch nicht über so viele Smartphones und Computer verfügen, klinkt sich Google einfach aus der Einbeziehung alter Kulturstädte wie Halle in sein Street-View-Projekt aus“, ärgerte sich Jedebusch, eine schmucke Brünette, der man die beinharte Geschäftsfrau im ersten Moment kaum ansieht, auf dem Straßen- und Kachelmann-Überwachungsportal ppq. Da zeigt doch der Osten wieder einmal, wo es langgeht.

Besonderes interessiert, an Jedebusch und ihren Filmen, sind nun die Genossen und Brüder vom Stammtisch „Operativer Einsatz“. „Dit müssen wir nutzen. Da ha ick och noch alte Kontakte“, bemerkt Günter P., Stasi-Major a.D. beim dritten Pils in der „Frohen Aussicht“. Und erinnerte seine Stammtisch-Genossen damit an Operation Mimi. P. weiter: „Karl-Jünta heißta. Der war damals unsa Mann in der Eissporthalle an der Peißnitz. Hatte Kellna und Jäste in der Gaststätte Pirouette als operative Ziele. Gleich jejenüba von unsa Einsatzzentrale an der Saale, damals.“ „Juta Mann. Deckname Saaleaue“, erinnert sich auch Stasi-Strateje Herbert K., der Karl-Günter kennengelernt hatte, als beide sich ihre ersten Stasi-Sporen als Informanten bei Kirchentreffen auf dem Petersberg bei Halle verdient hatten.  „Also, schnellstens Kontakt aufnehmen. Und bitte üba die alten Weje“, mahnt Ex-NVA- Oberstleutnat Eberhard W., der Handytelefonaten und E-Mails immer noch nicht traut, seine Stammtisch-Genossen. „Und Du, Herbert, kümmerst Dich um die Personaljen diesa Jederbusch, oder wie die heißt. Also wie imma: Schlechte Anjewohn heiten, wechselnde Sexpartna, na du weest schon.“ „Klar“, antwortet Herbert und hebt das Glas in die Runde. „Und wenn wa nüschd finden, dann sorcht Jünta dafür, dat wir wat finden. Prost, Jenossen!“

Google Street View & die Stasi (13.08.10)

„Haste dit jehört? Die wolln Uffnahmen von uns machen und die denne in Amerika den Leuten zeijen.“ Günter P. (73), Major a.D. des Ministeriums für Staatssicherheit, ist entsetzt. Er schaut fragend in die Runde seiner Stammtischbrüder. Wie jeden Freitag, seit 1982 schon, sitzen die Genossen und Kampfgefährten vom Stammtisch „Operativer Einsatz“ bei Berliner Bulette und Pils in der „Frohen Aussicht“, einer der wenigen noch existierenden Wohngebietsgaststätten am östlichen Stadtrand von Berlin. Während die Wirtsleute schon dreimal seit 89 wechselten, blieb der Stammtisch erhalten. Oder anders gesagt: der Stammtisch hat die Kneipe erhalten.

„Wat wolln die machen? Uffnahmen? Wat für Uffnahmen denn nur?“, fragt nun Eberhard W. (76), NVA- Oberstleutnant a.D., der wegen seiner Nachwende-Klassenfeind-Naherfahrung als Offizier bei der Bundeswehr fast vom Stammtisch ausgeschlossen worden wär. „Na die wolln mit Kameras durch unsre Straßen fahrn, dit allet filmen, wat se da so sehn, und denn die Filme in Amerika vorführn“, antwortet Günter, nachdem er ordnungsgemäß einen weiteren Strich für ein weiteres Pils auf seinem Bierdeckel gemacht hat. Natürlich mit seinem goldenen Kugelschreiber. Den er damals zusammen mit dem bronzenen MfS-Verdienstorden bekommen hatte und der seitdem für nichts anderes verwendet worden ist, als für Pils-Striche auf dem Bierdeckel. Freitags. Beim Stammtisch.

„So´n Quatsch. Dit is allet janz anders“, meldet sich nun Herbert K. (68) zu Wort. Herbert, von allen nur „Strateje“ genannt, ist der Jüngste in der Runde. Aber trotzdem hoch geschätzt, hatte er doch als Führungs-Offizier „in den guten alten Agentenzeiten“ ganze Heerscharen von IMs hüben und drüben geleitet, geführt und gefördert. Und natürlich gefeuert. Besonders aber sein Tick für versteckte Kameras in Cabinet-Schachteln und sein von ihm erfundenes Bockwurst-Imitat mit eingebauten RFT-Mikrofon (Typ DM 2112) machten ihn schon damals zum geschätzten Experten für Aufnahmen. „Die haben die Uffnahm schon lengst jemacht. Jetze jehts darum, obse die Uffnahmen ins Internetz stellen dürfen oda nich.“

„Wat erzählst Du da? Die ham schon Uffnahmen von uns jemacht? Von unsre Straße? Ohne Jenehmigung?“ Walter Z. (72) schüttelt den Kopf. „Dit hätte ich doch mitkriejen müssen.“ Da hat er wohl recht, denken alle anderen am Tisch. Z. entgeht eigentlich nichts, das liegt ihm im Blut. Schließlich war er damals als Hausmeister in einem der 16-stöckigen Plattenbauten an der Allee der Kosmonauten in Marzahn gleichzeitig Schriftführer des Hausbuches, Vorsitzender der Hausgemeinschaftsleitung und natürlich Volkspolizeihelfer. Sowie SED-Genosse und Informeller Mitarbeiter. Als IM Gagarin hatte er alles aufgeschrieben, was in seiner Platte vor sich gegangen war. Und was nicht. Sein Bericht über das „asoziale Element K. und dessen Absichten nicht nur der Nationalen Volksarmee sondern auch der Deutschen Demokratischen Republik den Rücken zu kehren“ war letztlich der einzige Grund, warum er beim Stammtisch „Operativer Einsatz“ dabei sein durfte und darf. Hausmeister hätte man normalerweise nie zugelassen.

„Bring mal ne Runde Kurze, Karin“, ruft Iljuschin dazwischen. Der heimliche Chef des Stammtisches hatte bisher geschwiegen. So, wie es seine Art ist. Nicht viel erzählen, aber alles hören. Iljuschin saß eines Tages, Mitte der 90er, schon am Stammtisch, als die anderen kamen. Verdutzt sahen sie ihn an, wollten ihn von ihrem operativen Tisch verscheuchen. Bevor sich einer äußern konnte, sagte er jedoch: „Willkommen Genossen. Setzt Euch. Ich bin einer von den Guten.“ Den alten Stasi-Hasen war das nicht geheuer. Ist es immer noch nicht. Denn der Fremde wusste alles über sie: Ihre Namen, ihren Werdegang beim MfS, ihre Adressen und manch andere Geheimnisse, von denen sie hofften und hoffen, er würde und wird sie nie der Öffentlichkeit Preis geben. „Macht Euch keine Gedanken. Bei mir ist alles secret. Nennt mich Iljuschin, die Geschichte erzähle ich Euch später.“ Dazu legte er einen Ausweis auf den Tisch, der den Inhaber als Agenten des russischen Geheimdienstes KGB offenbarte. Der Name war allerdings ausradiert. Später am Abend, nach etlichen Runden Korn (mangels Wodka in der Wohngebietsgaststätte) erfuhren sie noch mehr.

Sie erfuhren, dass seine Missionen, sein Jobs, so geheim gewesen waren, dass nicht einmal die geheimen Geheim-Agenten wussten, was Iljuschin wirklich gemacht hatte. „Nur soviel“, sagte Iljuschin an diesem Abend, „ich habe mehr als einmal den Krieg zwischen Amerika und der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken verhindert. Und einmal, da habe ich als normaler Flugpassagier eine Iljuschin sauber gelandet, nachdem der Pilot einen Herzanfall hatte und der Co-Pilot nicht landen konnte, weil er stock besoffen war. Seitdem nennen mich meine Freunde Iljuschin.“

Karin kommt mit der Runde Kurzen, stellt sie mit samt Tablett auf dem Tisch ab und sagt in die Runde: „Im Jrunde jenomm habt Ihr doch nüschd andres jemacht. Jefilmt, Jespräche uffjenomm, allet notiert. So macht dit och Guchel Stried Fjiu.“ Da wird es ruhig in der Runde vom Stammtisch „Operativer Einsatz“. Bis Günter das Wort ergreift: „Dit is wohl war. Aber nie, niemals, hätten wir dit ins Internet jestellt.

3 Kommentare zu “Stammtisch OE

  1. Papperlapapp ….. S. und M.S.

    Mann Leute, dit klingt doch voll fiktiv….. Merkt ihr dit nich?
    Der will dit satirisch ‚verschlaiern’…. Satire is jut. Und so uffschreiben wie in Bärlin jesprochen wird – dit is ooch jut.

    Mister Krüger: Dat PPQ ( wat ja PolitPlatschQuatsch.com heißen soll) een Straßen- und Kachelmann-Überwachungsportal sein soll- hab ick noch nich jemerkt.
    Is dit (ppq) dein zweiter Blog oder biste mit dem verwandt?? Irgentwat erinnert mich daran (Halle oder HFC oder die Ironie….???)

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  2. Warscheinlkich war der Urheber dieser Kneipengeschichten selbst bei der Stasi und will das hiermit nur verschlaiern.

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  3. Schlimm, das die sich immer noch treffen. Da mus man nicht auch noch darrüber schreiben. Pfui.

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