Deutsches Demokratisches Wortgut III

„Haste man n Schnongs?“ hieß es auf der Fahrt zwischen Seattle und Spokane von der Hallenserin. „N Schnongs? Wat is dat denn?“ kam die prompte Nachfrage der Berlinerin. Schnongs? Schnongs ist eben ein Schnongs. Oder auch Bonbon genannt, Zuckerl (Österreich). Oder Kamellen, Bonschi, Bons. Die Wurzeln des Schnongs, der einzig wahren Bezeichnung, liegen nach bpb-Recherchen in Halle an der Saale, einst einzig wahre Kultur- und Händel-und Halloren-Hauptstadt der DDR. Dort, in den Kaufhallen der Stadt, insbesondere in der Kaufhalle „An der Magistrale“ (mit Spätverkauf von 19 bis 21 Uhr, Sa von 14 bis 19 Uhr) in Halle Neustadt, gab es Schnongse in allen Variationen. Beliebt waren die runden Dropse, die so schön aneinander klebten, Blockmalz, Hustenperlen, Mintkissen, Krügerol, Salmiak Pastillen, oder die roten Himbeerschnongse. Die begehrtesten waren jedoch die Knickebein-Schnongse, gefüllt mit Eierlikör. Ob wirklich Eierlikör drin war, konnte nie nachweislich geklärt werden. Eins war aber, im Gegensatz zu einigen Sorten heutzutage, garantiert immer im Schnongs: Zucker.

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Deutsches Demokratisches Wortgut II

„Schneid ma von dor Wurschd noch n Runksen ab. Un nich zu dünne“, hallte es desöfteren durch den Pausenraum des VEB Landtechnischen Instandsetzungswerkes (LIW) Erfurt. „Von dor Lewwerwurschd oder vom Lewwerkäse?“ kam ab und an eine Nachfrage. Meistens ging es um einen Runksen vom Lewwerkäse, den man zusammen mit jeder Menge Senf und „nor Bemme“ dazu hinunterschlang. Denn viel Zeit war nicht in den Pausen beim LIW, standen wir doch unseren sozialistischen Mann am Fließband. Alte Traktoren- und Mähdreschermotoren wurden da auseinander genommen. Die Pausen waren so knapp, dass nicht einmal Zeit fürs Händewaschen blieb. Und so musste man, um den Dreck nicht mitessen zu müssen, die Pelle am Leberkäse lassen. So konnten wir auch mit verölten Fingern essen. Und weil dies mit dünnen Scheiben nicht funktioniert hätte, gab es richtig dicke Scheiben von der Wurst. Eben Runksen, Teil zwei der bpb-Serie „fast vergessenes demokratisches Wortgut“.

Deutsches Demokratisches Wortgut I

„Haste och in ner Hornzje jewohnt?“, fragte mich gestern ein Bekannter mit Wurzeln in Leipzig. „Na klar“, antwortete ich, „in nor Hornzje gleich unnerm Dach. Zwee kleene Zimmer, Wasser im Hausflur, wenn´s nicht zujefrorn war und s Glo ne halbe Drebbe diefer.“ Alle anderen schauten uns zuerst entgeistert an um sich dann selbst an der „Hornzje“ zu versuchen. Ohne Erfolg. Die Freunde und Bekannten aus den alten Ländern brachten es maximal zur „Hornschje“ oder zur „Hornche“. „Hornzje“ im Original können eben nur Sachsen, Anhalter und Thüringer richtig aussprechen. Und erklären können es auch sie am besten: „Ne Hornzje is ne Bude zum Wohnen, die nich besonders ausjestattet is. Meist unnnerm Dach, manchma aber och off ner annern Edasche. Ohne Glo, einfache fensder, die im Winder zufriern.“ Die Hornzje, Teil eins der neuen bpb-Serie „fast vergessenes deutsches demokratisches Wortgut“.