Sicherheitsaufrüstung geht alle an

Die Angst geht um in der Hauptstadt. Die Angst vor Anschlägen. Besonders Briefe sind derzeit unbeliebt. Nicht nur, dass Rechnungen drin sein könnten. Nun ist vielleicht auch noch ein kleiner Anschlag versteckt. In den Büros fragt man sich: Ist es wirklich das Bewerbungsschreiben dieser hübschen Blondine, die hier ein Praktikum machen möchte? Steckt in dem Umschlag das neue iPhone für den Chef? Oder lauert ein Anschlag im Brief, eine Bombe? Panik geht um in der deutschen Sicherheitshauptstadt.

Und schon rufen die ersten wieder laut nach Überwachung! Allen voran die Bürgerinitiative „Sicherheit und Ruhe 21“. Sie fordert mehr Kameras auf allen Plätzen und „besonders da, wo auch Google-Street-View nicht hinsieht. „Wir können nicht zulassen, dass Terroristen heimlich unsere Flugrouten nutzen, dass Migranten ohne Führerschein auf unseren Straßen Auto fahren oder dass im Untergrund langhaarige Schwarzfahrer ungestraft die U-Bahn nutzen“, sagt BI-Vorstand und Sprecherin Mathilda Stuttgart-Schönefelder. Gemeinsam mit den Initiativen Schönefeld 21 (BI gegen alles, was sich in Berlin und Brandenburg in der Luft bewegt), MEZ 21 (gerade gegründete BI gegen die Sommerzeit), Pankow 21 (für alle neuen Flugrouten, Hauptsache nicht mehr über Pankow)  und den anderen „Ohne-21-im-Namen-Initiativen“ will Stuttgart-Schönfelder nun Pro-Überwachungs-Demos organisieren.

Buugle ist schon ein guter Anfang. Aber das reicht lange noch nicht aus“, sagt Wolfgang Schwanitz von der Bürgerinitiative. „Wir fordern Nacktscanner in jedem öffentlichen Hauseingang, Kameras in allen Briefkästen sowie zumindest Bewegungsmelder in den Waschräumen von Kneipen, Kitas und Schulen“, so Schwanitz, der selbst ein Verfechter der indirekten spezifischen Personenüberwachung ist. Dabei könne Deutschland von seiner 40-jährigen Erfahrung profitieren. Schwanitz: „Das funktionierte prima.“

Kommenden Montag soll die erste gemeinsame Demo unter dem Motto „Schluss mit der imperialistischen Abrüstung – Sicherheitsaufrüstung geht alle an“ stattfinden. Die Route der Demo ist noch unklar. Klar ist hingegen, dass die Demo dank 500 Kameras an der Strecke (ganz egal, wo sie langführt) live im Internet zu sehen sein wird. Aufzeichnungen können später hier nachbestellt werden.

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Noch mehr Prügel

Die Demo am Sonnabend stand unter dem Motto „Freiheit statt Angst“. Doch es gab mehr Angst als Freiheit.

Allerdings muss man sich fragen, wieso der Mann in blau, der auf dem anderen Video Prügel bezieht, auch ausgerechnet hier wieder auftaucht. Es scheint, als sei er nicht nur gekommen, um zu demonstrieren…

Polizei-Arbeit in Berlin

Am Rande der Demo „Freiheit statt Angst“ gegen Überwachung. via spreeblick

Bei der Polizei hört sich das dann so an:

Weitgehend störungsfrei verlief gestern Nachmittag eine Demonstration in Mitte. Unter dem Motto „Für eine freie Gesellschaft, für Freiheitsrechte, gegen Massenüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Sicherheitswahn“ trafen sich gegen 14 Uhr 40 zunächst rund 1.500 Teilnehmer am Potsdamer Platz. Gegen 16 Uhr setzten sich dann etwa 3.000 Personen in Bewegung, deren Zahl sich während des Aufzuges auf zirka 10.000 erhöhte. Die Route führte über die Ebert-, Wilhelm-, Behren- und Glinkastraße, Unter den Linden, Bebelplatz, Leipziger Straße zurück zum Potsdamer Platz.

Unter den Teilnehmern befanden sich auch rund 700 Angehörige des so genannten „antikapitalistischen Blocks“. Sie versuchten im Bereich der Stresemannstraße von der angemeldeten Wegstrecke abzuweichen, was Polizeibeamte verhinderten. Als Polizisten einen Lautsprecherwagen, von dem zu Straftaten aufgerufen worden war, überprüften, wurden sie aus der Menge mit vereinzelten Flaschenwürfen angegriffen. Hierbei ist jedoch niemand verletzt worden.

Nachdem der Aufzug den Endplatz gegen 18 Uhr 40 erreicht hatte, verweilten zunächst noch etwa 2.000 Personen am Potsdamer Platz, die sich bis 20 Uhr auf rund 300 reduzierten. Die Veranstaltung wurde gegen 21 Uhr 30 vom Versammlungsleiter beendet, woraufhin auch die letzten Anwesenden den Platz verließen.

Im Zusammenhang mit der Überprüfung des Lautsprecherwagens kam es seitens mehrerer Teilnehmer zu massiven Störungen der polizeilichen Maßnahmen. Trotz wiederholter Aufforderungen, den Ort zu verlassen, störte insbesondere ein 37-Jähriger weiter. Die Beamten erteilten ihm schließlich einen Platzverweis. Nachdem auch dieser wiederholt ausgesprochen worden war und der Mann keine Anstalten machte, dem nachzukommen, nahmen ihn die Polizisten fest. Hierbei griff ein Unbekannter in das Geschehen ein und versuchte, den Festgenommenen zu befreien, was die Beamten mittels einfacher körperlicher Gewalt verhinderten. Der Unbekannte entfernte sich anschließend vom Tatort. Der 37-Jährige erlitt bei seiner Festnahme Verletzungen im Gesicht und kam zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Die Vorgehensweise der an der Festnahme beteiligten Beamten einer Einsatzhundertschaft, die auch in einer im Internet verbreiteten Videosequenz erkennbar ist, hat die Polizei veranlasst, ein Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt einzuleiten. Das Ermittlungsverfahren wird durch das zuständige Fachdezernat beim Landeskriminalamt mit Vorrang geführt.

Polizisten nahmen im Verlauf der Veranstaltung 19 Personen vorläufig fest, in der Mehrzahl wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Darüber hinaus wurden Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Widerstands eingeleitet. Insgesamt waren rund 900 Polizisten im Einsatz.