Leben in New York ist nicht billig. Das merken nicht nur Touristen wie wir, sondern vor allem New Yorker selbst und im Besonderen jene, die auf Zeit dort wohnen. Unseren Freunden in Park Slope (Brooklyn) geht das genauso. „Es hat Monate gedauert, bis wir herausgefunden haben, wo wir Gutes preiswert einkaufen können“, sagen sie. New Yorker Preise sind schon netto nicht billig und hinzu kommen an der Kasse 8,875 Prozent: vier Prozent erhebt der Bundesstaat, die Stadt möchte 4,5 Prozent und 0,375 Prozent geht an den öffentlichen Nahverkehr MTA. Klingt im Vergleich zu den 19 Prozent Mehrwertsteuer in Deutschland recht gering – aber die Nettopreise an sich sind schon saftig genug. „Für vier Personen kommt man da schnell ans Limit“, erzählen die Auf-Zeit-Brooklyner.
Da kam es ihnen gerade Recht, dass sie Nachbarn kennenlernten, die in der Food Koop PARK SLOPE Mitglied sind. Das ist eine der ältesten Nahrungs-Genossenschaften in den USA. Schnell merkten sie: Hier bekommt man Qualität zu günstigen Preisen. Alles etwa 40 Prozent preiswerter als woanders in Brooklyn oder Manhattan. Hat sich doch tatsächlich ein kleines bisschen Sozialismus nach Brooklyn eingeschlichen. „Außerdem ist das der einzige Laden, wo man zum Beispiel guten Käse bekommt, der auch noch bezahlbar ist“, sagen die Mitglieder. An das „normale“ Käse-Angebot in den „normalen“ Supermärkten Amerikas kann sich ein verwöhnter Deutscher nur schlecht gewöhnen. Das haben auch wir auf vielen Reisen immer wieder festgestellt. Alles Käse. Aber nicht ein guter. Kein Problem mehr: Nun gibt es ja die landwirtschaftliche Kooperation und dort ist das meiste auch noch Bio oder Öko oder beides oder zumindest ähnlich. Außerdem werden hier verschiedene Konzerne boykottiert, die nicht ins Konzept passen oder deren Arbeitsbedingungen/Methoden gegen den Strich der Koop gehen. Darunter Nestlé oder Coca Cola.
Natürlich hat solch ein „sozialistischer“ Laden auch einen Haken. Mindestens. Wer Koop-Mitglied sein möchte, muss dafür etwas tun. Alle 16.000 Mitglieder sind Mitarbeiter und Kunden zugleich. 100 Dollar legt jeder auf den Tisch, die beim Verlassen der Kooperative wider ausgezahlt werden. Einkaufen darf aber nur, wer dort außerdem seine Stunden ableistet. Bei 16.000 Mitgliedern sind das einmal monatlich zwo Stunden fünfundvierzig, die jede(r) in der Koop zum Malochen antreten muss: Ware annehmen und verteilen, Regale auffüllen, Kartons falten und schnüren, Kassen-Lines organisieren, bedürftigen Mitgliedern das Gekaufte nach Hause tragen. Strenge Regeln gibt es dabei: Wer seinen Dienst nicht antritt, kommt auf eine rote Liste („Alert“) und wird beim nächsten Einkauf am Eingang darauf hingewiesen. Wiederholt sich das Fernbleiben von der Arbeit folgt die schwarze Liste („Suspended“) und das Einkaufs- und Zutritts-Verbot. Das Gerücht, beim dritten Blaumachen müsse man eine Woche zur Strafe in Russland arbeiten, wurde bisher nicht bewiesen und immer wieder dementiert.
Auch musste bisher keines der Mitglieder in die Kommunistische Partei eintreten oder sich dem Sozialismus bedingungslos bekennen. Zumindest ist davon nichts bekannt. Bei einigen wird das allerdings stark befürchtet. Mehr Angst haben die meisten jedoch dabei erwischt zu werden, wie sie sich eine Kirsche oder eine Erdbeere in den Mund stecken. Denn eines ist trotz Mitgliedschaft strengstens verboten: Essen vor dem Zahlen. Als Gast darf man übrigens nach Anmeldung mit Reisepass gern mit hinein, in die Kooperative. Kaufen jedoch darf man nichts. Erinnert mich ein bisschen an die Intershops in der DDR, wenn man keine Forumschecks oder kein Westgeld hatte. Dann durfte man staunen. Aber nichts kaufen.
Einkauf
Treueherzchen-Club-Rabatt-Karte
Wie bitte? Nein, ich sammle keine Treueherzen. Zehn Stück? Weil ich so viel eingekauft habe. Ach so. Nein, ich möchte sie trotzdem nicht. Auch keine Treuebienchen, Treuesternchen oder Treuemarken. Weder noch. Verschenken? Wozu soll ich sie verschenken? Und vor allem, an wen? An die Familie? An Freunde? Na ja, ich weiß nicht, ob meine Freunde hier einkaufen. Die wohnen doch gar nicht hier. Und dann müssen sie extra hierher kommen. Wegen der Treueherzen. Lassen Sie mal, keine treuen Herzen heute!
Wenigstens Sammelbildchen? Nein, auch keine Sammelbildchen. Ob ich das neue Sammelbildchensammelalbum habe? Nein, ich habe kein Sammelbildchensammelalbum. Warum nicht? Tja, ich sammle keine Sammelbildchen. Also wozu ein Sammelbildchensammelalbum? Nein, ich habe auch keine Rabattsparkarte. Weder für diesen Laden hier, noch für andere. Nein, ich bin auch kein Mitglied bei Ihnen. Nirgends. Ich habe keine Kundenkarten von Kaufhäusern, Supermärkten oder Schuhläden. Wie bitte? Nein, ich habe Ihren 500-Gramm-Möhren-Coupon nicht dabei Wie bitte? Nein, auch den 25-Prozent-Sommer-Sonnenschein-Coupon für Campingartikel nicht. Und ich habe doch auch gar keine Campingartikel gekauft. Das ist egal? Nun, ich habe jedenfalls keinen Coupon für Zelte. Nein, auch die Deutschland Card hat mich nicht erreicht und ich betone es gern noch einmal, ich möchte auch keine haben. Das betrifft auch die Payback Karte. Und, Sie werden es ahnen, eine Family Card fehlt ebenso in meiner Sammlung. Clubkarte? Welcher Club? Ach so. Einkaufs-Sparer-Club. Nee, hab ich auch nicht.
Ob ich eine Kaffeebohnenbonuskarte haben möchte? Was kann die denn? Ach so. Die 25. Tüte Kaffee ist kostenlos. Nein, eher nicht. Denn ich glaube nicht, dass ich bei Ihnen 24 Kaffeetüten kaufen werde. Dieses hier wird wohl mein letzter Einkauf bei Ihnen sein. Ob ich wegziehe? Nein, nein. Ich bleibe. Aber ich habe nicht immer Zeit für Club-Rabatt-Bonus-Treueherzchen-Karten-Sammelalben-Gespräche. Dazu ist mir meine Freizeit zu wertvoll.
Aber eine Frage hätte ich doch noch: haben Sie vielleicht Zeit-Rabatt-Karten?