Durstige Ente & trunkene Hammelherde

Wie nah so manche Berichterstatter ihren Themen sind, zeigte am Wochenende ein Bericht in der Welt am Sonntag. Darin ging es um das Kneipensterben in Deutschland. Überall gehe es bergab. Nur in Berlin nicht. Da habe sich die Zahl der Kneipen in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Und weil es die Welt am Sonntag berichtete, tutete ganz Deutschland ins gleiche Horn. Obwohl es eine Zeitungsente ist, wie bpb-Recherchen ergeben haben. Bei Leitblättern wie der WamS fragt wohl nicht nach, sondern schreibt ab und druckt es auch. Ist ja auch am einfachsten. Warum nachrecherchieren? Fragt sich nur, ob sie alle besoffen waren, oder ob Stern, Rundschau, MZ und wie sie alle heißen, die Ente im Durste blind nachgedruckt haben.

Allein ein Blick auf die Grafik der Zeitung hätte, zumindest bei Berliner Journalisten, so manche Frage aufwerfen müssen. 1071 Kneipen sind da im Jahre 2010 für Berlin aufgeführt. Und das sollen laut Grafik 95,8 Prozent mehr Kneipen sein als 2001… 1071 Kneipen, liebe Leute, die gibt es allein in Pankow. Schätzungsweise. Wahrscheinlich sind es noch mehr. Genau kann das keiner so sagen. Weil es in Berlin jede Woche etwa 250 Anmeldungen im Gastrogewerbe gibt. Aber eben auch (fast) genau so viele Abmeldungen. Manchmal ist es umgekehrt. Ein Blick ins Statistische Jahrbuch hätte das geklärt. Aber wie auch immer. Eins steht fest: Berlin hat geschätzte 10.000 gastronomische Einrichtungen. Kneipen, Restaurants, Imbissbuden, Biergärten. Glücklicherweise. Denn wären es nur 1071, wie die WamS behauptet, müsste nicht nur mancher Welt-am-Sonnntag-Journalist durstig nach Hause gehen. Aber immer noch besser als in Sachsen-Anhalt. Dort gibt es laut Welt am Sonntag 744 Kneipen. Macht im Schnitt drei pro Stadt/Ort/Gemeinde. Prost Mahlzeit!

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Boxer & Nickis

Was ich noch schreiben wollte, im alten Jahr. Da war ein Konzert, im November in Berlin. The Gaslight Anthem. War mit Freunden dort, es war ein großes Konzert. Schon deswegen, weil es teilweise der Sound unseres Urlaubs war. So zogen die Straßen Oregons, die Berge Grand Tetons und die Büffel vom Yellowstone noch einmal vorüber. Mitten in der Columbiahalle. Und, auch an ganz früher mussten wir denken. Damals, an die Zeiten an den Tischtennisplatten auf der Peißnitz in Halle. An den „Schwager“, an den „Sargdeckel“ (inzwischen geschlossen, was für ein Drama), an die Kneipen unserer Jugend. Und die „Pirouette“ in der Eissporthalle natürlich, die Wohngebietsgaststätte „Baltic“ und ja, auch das „Jambol“ nebenan im Block 331. Auch wenn  wir dort immer nur Getränke bestellten, um die kostenlosen Brötchen dazu essen zu dürfen. Auch im „Tutti Frutti“, der Eisdiele im Punkthochhaus Block 330, kehrten wir ab und an ein.

Dann gab es da noch den „Starken Arm“ in der Straße der Deutsche-Sowjetischen Freundschaft, direkt neben unseren Ausbildungsbetrieben kurz vor Büschdorf. Dort landeten wir regelmäßig am Zahltag. Wenn es Lehrlingsentgelt gab, um die 100 Ostmark, wenn ich mich recht entsinne. Manchmal landeten wir auch im „Zentral“, die wohl mieseste SB-Kneipe der Saalestadt. Mit Schorschi traf ich mich ab und an im „Café Corso“. Natürlich gingen wir auch in diverse Studentenclubs: in den „Turm“, in den „Wiwi-Club“. Das war der Studentenclub der Wirtschaftswissenschaftler in einem Wohnheim in Neustadt. Legendär dort am Tresen die U-Boot-Spiele wo reihum jeder einen Tropfen Wasser in ein zur Hälfte mit Wasser gefülltes, schwimmendes Bierglas kippen musste. Wer es versenkte, musste die nächste Runde zahlen, ein Bier auf Ex austrinken oder andere Strafsachen verrichten. Wir gingen in den „Bewi-Club“, in die „Heimleuchte“, „Äsculab“, „Bauernclub“ und auch nicht gerade wenig in den Jugendclub „Gimritzer Damm“. Nicht zu vergessen die „Saaleaue“, wo es immer kaltes Schnitzel mit Kartoffelsalat gab.

Gutes schwarzes Bockbier nebst leckeren Gehacktesbrötchen genehmigten wir uns öfter Mal nach PA (Produktive Arbeit, in unserem Fall im RAW- Reichsbahnausbesserungswerk Halle) in der SB-Gaststätte vom Centrum Warenhaus zwischen Halle und Neustadt. Gebackenen Camembert mit Preiselbeersoße konnte man in der „Goldenen Rose“ gut essen. Bier gab es auch in der Mitropa, Broiler in der Broilerstube. Und das beste Bockbier der Stadt wurde in der HO-Gatstätte „Tucherbräu“ (Grober Gottlieb) ausgeschenkt. Und was das alles mit The Gaslight Anthem, Boxer und Nickies zu tun hat, haben die Bloggerkollegen von politplatschquatsch aufgeschrieben.