U2-Cocktail

Pub Crawls sind out. Ist ja auch nervig, immer dem Reiseleiter folgen zu müssen, von Pub zu Pub. Und überall auch noch auf die jeweiligen Getränke angewiesen zu sein. Das machen britische Jugendliche nun nicht mehr mit. Der neue Berliner Trend für die Gäste aus dem Empire heißt „U-Bahn Surf & Sauf“. Freitagabend, kurz vor acht, U2 Richtung Pankow. Am Potsdamer Platz steigt eine Gruppe schöner junger Menschen ein. Fünf junge Damen Anfang 20, ein Typ im gleichen Alter. Alle haben zwei Sachen gemeinsam: Sie sprechen alle englisch und haben alle ein geöffnetes Warsteiner in der Hand. Man plaudert fröhlich drauflos und währenddessen werden die Bierpullen geleert. Mit einer Geschwindigkeit, die selbst alteingesessene Biertrinker vom Hocker hauen würde.

Doch Bier allein macht ja nicht glücklich. Also wird, ab Station Hausvogteiplatz, eine Flasche Wodka nebst O-Saft zu  Nachspülen durchgereicht. Jeder nimmt jeweils einen Schluck aus der einen  und dann einen Schluck aus der anderen Pulle. Nachgespült wird mit Bier und am Alex machen nun drei derUK-Ladies, zwei von ihnen übrigens im Minikleid (bei drei Gard unter Null), auch noch jeweils ne Piccolo Sekt auf.  Nun ist der U-Bahn-Cocktail perfekt. Bier-Wodka-O-Saft-Sekt. Und wieder kreist die Wodka-Pulle und am Senefelderplatz ist diese dann auch leer. Wie auch die jeweils zweite Flasche Bier, die Piccolöchen sowieso. Schönhauser Allee ist für die Briten Endstation, sie steigen aus. Draußen auf dem Bahnsteig öffnen dann alle erst einmal ne Flasche Bier. Ist ja auch anstrengend, so ne U-Bahn-Fahrt.

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Ein Berliner Morgen zwischen Tram und U-Bahn

Ein ganz normaler Donnerstagmorgen in Berlin. Die Tram der Linie 50 kommt mal wieder zu spät. Nichts Neues. In der Bahn riecht es aber diesmal verdammt streng. Das kommt eher selten vor. An einem Donnerstagmorgen zumindest. Ich will gar nicht hinsehen, entdecke dann aber doch den Grund. Ein Haufen Erbrochenes zwischen den hinteren Sitzenreihen, halb getrocknet schon. Was den Aggretatzustand noch nicht geändert hat, wabert sich langsam Richtung Fahrerkabine. Schafft es aber nicht bis zur Osloer Straße. Welch glücklicher Morgen.

Im Eingang zur U-Bahn dann stürzt ein etwa 13-jähriges Mädchen die Treppe hinunter. Vorher rempelt sie mich aber noch an. Nur das Treppengeländer verhindert meinen eigenen Sturz. Die junge Dame hat viel zu hohe Stöckelschuhe an, telefoniert und bedient gleichzeitig mit der anderen Hand ihr iPod. Die Treppe ist Nebensache. Sie überlebt es, auch Handy und Player scheinen nichts abbekommen zu haben. Und zum Glück stürzte sie nicht in das Erbrochene am Ende der Treppe (getrocknet, also ohne Geruch).

Im Bahnhofsuntergeschoss neben dem asiatischen Schnellnudelladen stehen wie immer die Penner bei Bier und Getränken aus anderen Flaschen. Sie unterhalten sich, rauchen (Scheiß auf das Verbot), lachen laut. Es scheint, als ginge es ihnen gut. Nun, sie müssen wohl nicht zur Arbeit. Ihre zwei Hunde (jeweils mit roten Halstüchern geschmückt) laufen aufgeregt durch den U-Bahnhof und beschnüffeln jeden und alles. Und pinkeln, neben den Papierkörben, auch einen Bettler an. Der bekommt es jedoch nicht mit. Weil er schläft. Oder besoffen ist. Oder beides.

Beim Bäcker direkt daneben stehen die Leute trotzdem an (obwohl es gar nicht gur riecht, an diesem Morgen hier). Die Schrippen sind preiswert und gut und besonders die Schnitten gehen weg wie warme Semmeln. Im Gegensatz zu Hunderten anderen Bäckern in Berlin werden hier, statt Baguettes und Schrippen, hauptsächlich Schnitten geschmiert. Hamburger Schnitte mit Käse und Ei oder Salami oder besonders beliebt auch die Schnitte mit Zwiebelmett. Und wenn man etwas flacher atmet und sich von Hunden, Papierkörben und schlafenden Pennern fernhält, schmeckt sogar der Kaffee hier.

Unten auf dem Bahnsteig der Linie 9 sind wie immer alle Sitzbänke belegt. Mit Liegenden. Denen es oben zu kalt ist, die schlafen hier unten. Ihren Rausch aus. Oder einfach nur so. Weil es sich im Liegen besser Bier trinklen lässt. Einer blickt kurz hoch, spuckt auf den Boden, dreht sich rum und schläft weiter. Daneben ein paar Jugendliche mit Migrationshintergrund. Sehen nicht so aus, als ob sie zur Schule wollten. Rauchen, reden lauthals outlandisch und treten sich gegenseitig. Zwischen die Beine und anderswo hin. Bei jedem Treffer sagen sie „wwwusch“.

Dann kommt auch schon die U9. Endlich kann ich mich in den Waggon flüchten. Und was muss ich sehen? Alle Sitze sauber, kein Erbrochenes, keine leeren Bierpullen, die durch den Wagen kullern. Irgenddwas stimmt hier nicht. An diesem Donnerstagmorgen in Berlin.

Smartes Phonen in der U-Bahn

Ja, ich muss es zugeben. Ich bin abhängig. In nur kürzester Zeit bin ich ein Sklave der mordernen Informationsgesellschaft geworden. Ohne geht gar nicht mehr, obwohl es ja davor lange Jahre funktioniert hat. Aber nun ist das, gerade neu angeschaffte Smartphone, ein Teil meiner selbst. Es lebt mit mir und ich mit ihm. Schon morgens in der U-Bahn lese ich die neusten internationalen Schlagzeilen, aktuelle Tweets und Posts auf diversen Blogs. Obwohl ich die gleichen Informationen kurze Zeit später auf dem Computer erhalten könnte.

Ich sehe jeden Morgen nach, wie das Wetter auf La Palma ist, obwohl es noch sechs Wochen bis zum Urlaub dort sind. Ich checke meine E-Mails, die das Smartphone von allen Fächern sammelt und nach Eingang geordnet anzeigt, obwohl ich das gerade erst zuhause am Rechner gemacht habe. Ich schau in den Smart-Kalender, ob er über Outlook- und andere Verbindungen neue Termine für mich gefunden hat. Obwohl dies ziemlich unmöglich ist. Ach ja, und wie ist das Wetter gerade an der Ostsee? Oder in New York? Ein Wisch mit dem Finger über den Bildschirm und schon bin ich auf dem neusten Stand.

Natürlich will ich auch wissen, welche Kneipen, Restaurants, Tankstellen oder Museen sich gerade in meiner Nähe befinden. Man weiß ja nie, könnte ja sein. Also kurz auf Places getippt und schon werden alle Ziele in der Umgebung angzeigt. Idealerweise gleich mit Bewertungen der Kunden oder Gäste. So, so, das Restaurant dort an der Ecke, wo ich schon immer mal hin wollte, wird also gar nicht empfohlen. Schade eigentlich, es wäre so schön nah zur Wohnung. Aber wenn die dort nicht kochen können…

Ein kurzes Signal und ein Blinken in der Infoleiste zeigt mir einen neuen E-Maileingang an. Also nix wie nachgeschaut und, dank vollwertiger, ausfahrbarer QWERTZ-Tastatur (die passender QWERTZUIOPÜASDFGHJKLÖÄYXCVBNM-Tastatur heißen müsste, denn sie hört ja beim Z nicht auf) natürlich gleich geantwortet und zusätzlich noch ein paar Grüße in die Runde geschickt.  Morgens aus der U-Bahn, zwischen Osloer Straße und Kurfürstendamm. Und dann, ich bin kaum aus der U-Bahn raus, passiert etwas Merkwürdiges: Das Handy spielt plötzlich, ohne mein Zutun, den Soundtrack der Serie „Futurama“. Was soll das denn? Wieso macht es das? Und dann fällt es mir ein: Die Musik habe ich als Klingelton installiert. Da ruft also wirklich jemand an. Ja, telefonieren kann man nämlich mit dem HTC Desire Z auch.

Nicht mehr der Zukunft zugewandt

Sie ließen sich nicht einfach abwickeln wie die DDR. Man konnte sie nicht einfach abreißen wie den Palast der Republik in ihrem Rücken. Stolz und schön standen die beiden zu Bronze erstarrten Ikonen der Kommunisten auf ihrem Platz zwischen Fernseturm, Rathaus und Spree. Marx und Engels hielten, was andere versprachen: Ein Reiseziel mit Klasse, wenn es auch nur die Arbeiterklasse war. Doch kaum ein anderes Denkmal wird mehr besucht, mehr fotografiert als die beiden übergroßen Überväter des bei ihrer Einweihung schon recht schwankenden Sozialismus. 1986, als schon große Teile der volkseigenen Industrie im Konsumgüterproduktionsrausch untergangen waren, erblickten sie das Licht Ost-Berlins. Natürlich immer der Zukunft zugewandt, in Richtung aufgehender Sonne. Nun geht es andersrum. Weil unter ihnen die Tunnel für die neue U-Bahnlinie 5 gebaut werden, müssen Karl und Friedrich umziehen. Ein paar Meter weiter, hin zur Spree in Richtung Karl-Liebknecht-Brücke. Was die beiden nicht weiter stören würde. Wäre da nicht die neue Blickrichtung. Gen Westen.

A ganz a Paddende

„Naus, mir missen naus“, ruft der Herr mit dem Zweireiher unter dem Kashmir-Mantel. Er zeigt mit dem Arm nach draußen auf den Bahnsteig des U-Bahnhofes Kurfürstendamm. „Dis kann nich sinn“, sagt daraufhin seine etwas übergewichtige in Pelz gewickelte Begleiterin. „Nu babbel nisch, lass dei Gschwätz un kumm“, verleiht er seinem Aussteige-Willen Nachdruck. Doch die Dame zieht ihn unsacht auf den Sitz zurück und sagt: „Kudamm, Franzl, Kudamm missen mir naus! Und, was steht dort? KURFÜRSTENDAMM. K.U.R.F.Ü.R.S.T. – wie Kurfürst und nicht wie Kuh!“ Franzl hat keine Chance, er wird kurzerhand auf den Sitz zurückgerissen und muss sich wieder setzen. „Dis is doch Boggmischd“, sagt er noch, als sich die Bahn in Richtung Osloer Straße in Bewegung setzt. Ein Berliner, der gegenüber sitzt, weist die Dame auf ihren Fehler hin. „Kudamm und Kurfürstendamm, das ist dasselbe. Sie hätten hier austeigen müssen.  „Disch koi nisch sei“, antwortet Franzl nach einer Pause. Und, mit einem Seitenblick auf seine Begleiterin: „Denn mei Frau, disch isch a ganz a Paddende.“