Dit jibs nur in Berlin (Wedding)

Heute früh in einem Hallenbad in Wedding. Eine Schulklasse (zweite oder dritte Klasse) ist auf dem Weg zum Schwimmunterricht und wartet vor dem Kassenhäuschen auf Einlass. Ein Mitarbeiter der Bäderbetriebe, vermutlich ein Bade- oder Schmimmmeister, verliest die Namen der Schüler, die sich daraufhin einzeln melden und hineingelassen werden. Yusuf! Hier! Djamal! Hier! Gabor! Hier! Varlik! Hier! Sabri! Hier! Zahit! Hier! Djamila! Hier! Suleiman! Hier! Halim! Hier! Issam! Hier! Qitura! Hier! Zuleika! Hier! Charda! Hier! Eleonora! Hier! Talat! Hier! Dshihad! Hier! Erzsebet! Hier! Iskandar! Hier! Svetanka! Hier! Namik! Hier! Said! Hier! Mansur! Hier! Alle drin? Jaaaaaa. Daraufhin der Bademeister zur Begleitperson der Schüler (Lehrerin?): Sagen Sie mal, beim letzten Besuch waren da aber doch noch wenigsten zwei deutsche Schüler dabei! Oder irre ich mich? Sie irren nicht. Anwtortet die Dame. Aber die Eltern der beiden sind umgezogen. Damit ihre Kinder in andere Schulen gehen können. Wo mehr deutsche Mitschüler sind.

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Nächste Ausfahrt Wedding

Endlich wieder mit dem Fahrrad unterwegs. Endlich raus aus der stickigen U-Bahn, wo die Migrantenjugend in ihre Handys brüllt oder diese als Musikanlage benutzt. Raus der überfüllten S-Bahn, wo die Dealer und Vollidioten die Opa, Omas und Touristen anmachen. Wo die Penner jeden Tag mit der gleichen Leier (mhm ichbinderklaus und mhm ichbinzurzeitohnearbeit und mhm und ohnejobmhm und ichwürdemichfreuen mh übereinekleinespende mhm und mhm nehmauchwaszuessen mhm oderzutrinken) nach ein paar Cent betteln.  Raus aus der verspäteten und umgeleiteten Straßenbahn, wo oft am Morgen noch die Kotze der Nacht unter den Sitzen schwappt. Welch ein Gefühl, endlich wieder jeden Tag zur Arbeit und zurück radeln zu können. Endlich wieder mit dem Fahrrad durch Wedding.

Vorbei an dem kleinen Eckladen, in dem seit Jahren schon die gleichen bunten Handy-Klarsicht-Schutzhüllen neben gebrauchten und wahrscheinlich geklauten Handys liegen. Vorbei an dem Haus mit den stets geschlossenen Jalousien im Erdgeschoss mit dem aufgemalten roten Herz und der Aufschrift „Bei Moni“, wo es immer so penetrant riecht. Eine Mischung aus Pisse und süßlichem Parfum und ein bisschen altes Frittierfett von der Pommesbude nebenan. Vorbei an all den tiefer gelegten schwarzen Mercedes-Benz-Karren mit den Kennzeichen B-OS (um zu zeigen, wer der Bos hier in der Straße ist), die grundsätzlich auf dem Rad- und Fußwegen parken während ihre Fahrer wichtig in ihre Mobiltelefone reden,  von denen sie mindestens zwei haben. Wahrscheinlich aus dem Laden an der Ecke.

Vorbei an dem kleinen Wäldchen, wo auf der Bank vormittags die Mütter mit Kopftüchern und nachmittags Rasta-Typen mit Dope und mehr im Angebot sitzen. Vorbei an dem Frisier-Elektronik-Laden mit dem Namen „Locken und Internet“.   Vorbei an der kleinen Pizzeria, wo ein Stück so groß wie ein halbes Kuchenblech ein Euro kostet und wo man mit einem Codewort (Pizza Speziale) auch Marihuana erwerben kann. Erzählt man sich. Vorbei an dem Park, wo am Rand immer die drei gleichen alten Herrschaften mit ihren Krückstöcken und Bärten und Kappen und Rosenkränzen und schwarzen Anzügen und weißen Hemden sitzen und so tun, als wären sie die wahren Herren des Kiezes, was gar nicht so abwegig ist. Vorbei an der Tramhaltestelle, wo immer die gleichen Hunde in die Ecken pinkeln, die gleichen Penner betteln und wo immer wieder die Scheiben des Wartehäuschens eingeschlagen werden.

Vorbei an dem Supermarkt mit den vergitterten Fensterscheiben, wo die beiden muskelbepackten Super-Wachschützer mit den schwarzen Muskel-Shirts und schwarzen Hosen super wichtig tun und abwechselnd in ihre WalkieTalkies quatschen. Oder zumindest so tun. Und schließlich geht es noch vorbei an dem Blumenladen mit den beiden Vietnamesen, die ihren Umsatz hauptsächlich mit Schmuggelzigaretten machen und sich trotzdem freuen, wenn mal jemand Blumen statt kauft statt ner Stange Jin Ling. Vorbei an all den schönen Dingen Berlins, die man aus der U-Bahn niemals sehen würde.

Glatze & die Wasserwanderinnen

Hallenbad Seestraße, Dienstag 6.35 Uhr. Die alten Hasen haben bereits ihre zwei, drei 50-Meter-Bahnen hinter sich gebracht. Sind immer schon zehn Minuten vor offiziellem Einlass da. Werden scheinbar auch dann schon rein gelassen. Und, ich ahne Schlimmes, auch die Damen von der Wasserwanderfront sind ebenso schon im Wasser wie „Glatze“. Glatze ist etwa 60 Jahre jung und macht einen auf Rückenschwimmer. Jedoch nicht so, wie man es normalerweise gewöhnt ist. Glatze schwimmt eine Art von Schmetterling, nur eben rückwärts und vieeel langsamer. Seine Arme tauchen gleichzeitig aus dem Wasser, wobei sie eine Menge chlorhaltiges H2O um sich und damit auf alle anderen Schwimmer rechts und links und vorn und hinten verteilen. Wonach sie in einem Winkel von etwa 15 Grad rückwärts wieder ins Wasser tauchen, um dort für den nötigen Rückschub zu sorgen. Die Füße von Glatze bewegen sich dabei recht selten. Sie hängen eher schlapp in Richtung Schwimmbeckengrund herab. Nur alle paar Meter strampeln sie etwas unkontrolliert. Was ja an sich nicht schlimm ist. Soll doch jeder schwimmen, wie er möchte.

So lange man sich an gewisse Schwimmbahnen hält. Doch genau das tut Glatze eben nicht. Weil der Herr beim Arme-Rückwärts-Paddeln die Augen geschlossen hat (Schwimmbrille kennt er anscheinend nicht), führt ihn sein unkontrolliertes Rückwärts-Treiben mal in die eine, mal in die andere Richtung (oben dargestellt mit der schwarz-gelben Linie). Was dazu führt, dass Glatze so ziemlich jeden anderen Schwimmer, und auch mir (oben die rote Linie) mindestens einmal pro Bahn in die Quere kommt. Okay, wir können ja ausweichen, wir sind ja gar nicht so. Glatze aber sieht das anders. Jedes Mal, wenn er wieder mal einen Schwimmer mit seinem Pranken erwischt hat, dreht sich Glatze um und murmelt „Nee. Also. So wat. Könnse nicht uffpassn?“ Und so geht das den ganzen frühen Morgen und ich wundere mich immer wieder, dass Glatze noch keine aufs Maul bekommen hat.

Und weil man alte Damen nicht schlagen darf, kommen auch die drei Wasserwanderinnen immer noch fast jeden Morgen ins Hallenbad. Die Damen, alle zwischen 60 und 70 Jahre jung, zusammen schätzungsweise 300 Kilogramm leicht, kommen jedoch nicht wegen des Schwimmens. Ja nicht einmal zum Rückwärtspaddeln. Diese drei kommen um zu schwatzen und zu tratschen. Zuvor haben sie sich aber noch mal richtig schön einparfümiert. Und so wandeln sie auf Zick-Zack-Pfaden (oben in Pink dargestellt) durchs Schwimmbecken. Aber nur jeweils auf den ersten 20 Metern, dort, wo sie noch stehenden Fußes den Kopf über Wasser halten können. Ich bewundere die Damen immer wieder für ihre stoische Ruhe beim Wasserwandeln. Müssen sie sich doch dessen bewusst sein, dass sie jeden, aber auch jeden Schwimmer im Wege stehen. Außerdem bewundere ich alle Schwimmer, die ohne Brechreize an den Damen vorbeikommen. Denn die Mischung ihrer drei Parfüme, die sich verschmelzend übers Wasser kräuseln, ist nicht jeder Manns Sache.

Ein Berliner Morgen zwischen Tram und U-Bahn

Ein ganz normaler Donnerstagmorgen in Berlin. Die Tram der Linie 50 kommt mal wieder zu spät. Nichts Neues. In der Bahn riecht es aber diesmal verdammt streng. Das kommt eher selten vor. An einem Donnerstagmorgen zumindest. Ich will gar nicht hinsehen, entdecke dann aber doch den Grund. Ein Haufen Erbrochenes zwischen den hinteren Sitzenreihen, halb getrocknet schon. Was den Aggretatzustand noch nicht geändert hat, wabert sich langsam Richtung Fahrerkabine. Schafft es aber nicht bis zur Osloer Straße. Welch glücklicher Morgen.

Im Eingang zur U-Bahn dann stürzt ein etwa 13-jähriges Mädchen die Treppe hinunter. Vorher rempelt sie mich aber noch an. Nur das Treppengeländer verhindert meinen eigenen Sturz. Die junge Dame hat viel zu hohe Stöckelschuhe an, telefoniert und bedient gleichzeitig mit der anderen Hand ihr iPod. Die Treppe ist Nebensache. Sie überlebt es, auch Handy und Player scheinen nichts abbekommen zu haben. Und zum Glück stürzte sie nicht in das Erbrochene am Ende der Treppe (getrocknet, also ohne Geruch).

Im Bahnhofsuntergeschoss neben dem asiatischen Schnellnudelladen stehen wie immer die Penner bei Bier und Getränken aus anderen Flaschen. Sie unterhalten sich, rauchen (Scheiß auf das Verbot), lachen laut. Es scheint, als ginge es ihnen gut. Nun, sie müssen wohl nicht zur Arbeit. Ihre zwei Hunde (jeweils mit roten Halstüchern geschmückt) laufen aufgeregt durch den U-Bahnhof und beschnüffeln jeden und alles. Und pinkeln, neben den Papierkörben, auch einen Bettler an. Der bekommt es jedoch nicht mit. Weil er schläft. Oder besoffen ist. Oder beides.

Beim Bäcker direkt daneben stehen die Leute trotzdem an (obwohl es gar nicht gur riecht, an diesem Morgen hier). Die Schrippen sind preiswert und gut und besonders die Schnitten gehen weg wie warme Semmeln. Im Gegensatz zu Hunderten anderen Bäckern in Berlin werden hier, statt Baguettes und Schrippen, hauptsächlich Schnitten geschmiert. Hamburger Schnitte mit Käse und Ei oder Salami oder besonders beliebt auch die Schnitte mit Zwiebelmett. Und wenn man etwas flacher atmet und sich von Hunden, Papierkörben und schlafenden Pennern fernhält, schmeckt sogar der Kaffee hier.

Unten auf dem Bahnsteig der Linie 9 sind wie immer alle Sitzbänke belegt. Mit Liegenden. Denen es oben zu kalt ist, die schlafen hier unten. Ihren Rausch aus. Oder einfach nur so. Weil es sich im Liegen besser Bier trinklen lässt. Einer blickt kurz hoch, spuckt auf den Boden, dreht sich rum und schläft weiter. Daneben ein paar Jugendliche mit Migrationshintergrund. Sehen nicht so aus, als ob sie zur Schule wollten. Rauchen, reden lauthals outlandisch und treten sich gegenseitig. Zwischen die Beine und anderswo hin. Bei jedem Treffer sagen sie „wwwusch“.

Dann kommt auch schon die U9. Endlich kann ich mich in den Waggon flüchten. Und was muss ich sehen? Alle Sitze sauber, kein Erbrochenes, keine leeren Bierpullen, die durch den Wagen kullern. Irgenddwas stimmt hier nicht. An diesem Donnerstagmorgen in Berlin.