Schuldig! Oder: Als V-Mann bei der FDJ

Es ist kein Zufall, dass die braune Mörderbande aus dem Osten kommt: In den neuen Ländern ließ man rechtsextremistische Milieus blühen. Nimmt da eine Generation Rache an den sozialistischen Eltern?

Das schreibt Constanze von Bullion in der Süddeutschen Zeitung. Selten soviel Dünnschiss gelesen. Nachdem die geschätzten Kollegen von politplatschquatsch von Bullions Beitrag schon ausführlich kommentiert haben, erübrigt sich eigentlich jede weitere Meinung. Ich aber möchte mich an dieser Stelle schuldig bekennen. Schuldig, ein Ossi zu sein. Schuldig also auch (laut von Bullion), ein Neonazi zu sein.

Denn ja, ich war bei den Jungpionieren. Hab das Blaue Halstuch stolz getragen. Bei den Thälmannpionieren habe ich das rote Halstuch gebunden. Später dann, bei der Freien Deutschen Jugend (FDJ), war ich schließlich als V-Mann tätig. Das war nicht einfach. Nach außen, bei diversen Demos und Propaganda-Veranstaltungen, sich immer im Blauhemd zeigen. Immer laut „Freundschaft“ rufen. Und doch was anderes dabei denken. Hätte ich doch viel lieber den Arm zum Gruß. Na, Sie wissen schon. Das war nicht immer leicht. So im Blau- statt im Braunhemd. Gut, es war nicht immer bis oben geknöpft. Und ab und an hatte ich auch die Ärmel aufgekrempelt. Aber so, dachten alle, der gehört zu uns, das ist einer, den man Vertrauen kann. Ein Vertrauensmann, eben ein V-Mann.

„Familie, das war wichtig in der DDR, Zuflucht vor staatlicher Drangsal, noch öfter Hort ideologischer Schulung“, schreibt von Bullion weiter. Und wieder bekenne ich mich schuldig. Schuldig, in der DDR erzogen worden zu sein. Erzogen zu Werten wie Freundschaft und Familie. Die wichtiger sind als Geld und Karriere. Darum ist auch heute noch mein Freundeskreis größer als es mein Konto jemals sein wird. Und wertvoller sowieso. Etwas, was die drüben eben nicht verstehen. Können oder Wollen. Schuldig bekenne ich mich ebenso der „Horte ideologischer Schulung“. Jeden Abend daheim dieses Rotlicht. Und der Schwarze Kanal flimmert in der Kiste. Plus politische Erziehung im Wehrlager. Stramm stehen auf dem Schulhofappellplatz. Schuften im Volkseigenen Metalleichtbaukombinat Werk Halle. Montage im Kernkraftwerk Lubmin. Alles Horte ideologischer Schulung. Aber vor allem, Frau von Bullion, Gegenstand von Witzen.

„Als die DDR hin war, blieben funktionslose Funktionäre zurück, gedemütigte Lehrer und Polizisten. Sie vermittelten den Jungen das Gefühl, auf einem wüsten Planeten zu leben“, schreibt von Bullion weiter. Liebe Frau: Die einzigen Menschen, die uns nach der Wende vermitteln wollten, das Land wäre ein wüster Planet, waren die im Westen Gescheiterten. All die V-Männer, die Versicherungsvertreter und Glücksspielautomatenverlkäufer, Zuhälter und Kreispolitiker, Schützenvereinsmitglieder und Kredithaie. Das war wirklich wüst. Und noch ein Letztes Frau von Bullion: „Der Westen hat das Interesse längst verloren“, schreiben Sie am Ende. Auch wieder falsch: Der Westen hatte nie Interesse.

Ein Kommentar zu “Schuldig! Oder: Als V-Mann bei der FDJ

  1. Besser hätte ich es nicht schreiben können… wie hier teilweise verbrannte Erde hinterlassen wurde… nicht Seitens der „…funktionslose(n) Funktionäre …, gedemütigte(n) Lehrer(n) und Polizisten…“, sondern westdeutschen „Unternehmern“, die drüben gescheitert sind und sich hier wieder gesund gestoßen haben… aber was soll der Groll… wie du schon sagtest… der soziale Kreis eines Jeden ist hier (Osten) tausend mal mehr Wert, als die Kunst zu beherrschen, alles und jeden Dumm und Dusslig zu labbern und letztendlich nicht zu wissen, was man eigentlich wollte; aus dem Grund seine eigene Unzulänglichkeit zu verbergen.

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