Denn solang sich in Dresden das rechte Sprachprekariat mit den verwirrten Verirrten vereint…

Ich beschreibe es mal so: Klar, auch ich habe eine Meinung. Zu fast allem, was in Deutschland und in der Welt passiert. Warum das nicht in meinem Blog (oder auf  meinem Blog, wie der Betreffende gefragt hatte) zu lesen wäre. War doch aber gerade. Eigentlich. (Oder nicht?) Und wenn Nein, warum nicht? Vielleicht, weil das hier ein kleines privates Blog ist, in oder auf dem ich über Erlebtes, Ernstes und Unernstes berichte. Mal eher satirisch betrachtet, mal nüchtern drumherum geredet oder auch mal trunken und sehr direkt. Aber was soll´s – ich schreib es heute mal auf, was so meine Meinung ist. Obwohl ich denke, dass dieses mein Blog immer mal wieder seinen und meinen Standpunkt deutlich in die Welt posaunt. Meistens stimmen beide sogar überein. Und mehr gibt es an dieser Stelle auch nicht zu sagen schreiben.

Denn solang sich in Dresden das rechte Sprachprekariat mit den verwirrten Verirrten vereint, während die Regierenden dies zulassen, um den Spalt noch weiter auseinander zu treiben; solang die hippe Schickeria auf Facebook ihr Busenprofilbild in Je Suis Charlie ändert, während der Dümmste daneben den angeblichen IQ-Test besteht und gleichzeitig stolz ist, laut Facebook in Hamburg wohnen zu müssen; solang der deutsche Staat Geld in Elite-Universitäten steckt, während jeder Zwölfte die Schule ohne Abschluss verlässt; solang die Polizei meint, Redaktionsräume bewachen zu müssen, während die Reporter bei Demos ganz woanders sind; solang der dumme Neonazi von nebenan beim Dönerimbiss gegenüber Rommé spielt, während seine bayerischen Volksgenossen „Advent Advent Asylantenheim brennt“ skandieren – so lange werde ich in und auf meinem Blog weiter so posten wie bisher. Punkt. Wenn ich auch die Aufzählung noch fortführen könnte. Aber das soll erst einmal reichen.

Was der Bauer nicht kennt, wird verklagt

Morgen ist es nun endlich vorbei. Das Warten, das Zittern. Wer fliegt wann wo in welcher Höhe? Welche Maschine wird welches Häuserdach rasieren? Gibt es überhaupt Flugrouten übers Brandenburger Land? Über Berlin? Oder bekommen die Flugrouten-Gegner doch noch Recht und alle Flugzeuge ab dem neuen Berliner Flughafen BER starten senkrecht? Soll es ja geben, Senkrechtstarter. Dann wäre endlich Ruhe im Karton. Und im Brandenburger Land. Wo es seit Jahren brodelt. Wo seit Jahren Menschen auf die Straße gehen. Um gegen den Fluglärm zu protestieren. Fluglärm in 2500 Meter Höhe. Oder in 5 Kilometern Entfernung. Oder in zehn. Von ihren Häusern. Die sie sich hingebaut haben. Weil die Grundstücke so preiswert waren.

Mal ehrlich: Manche von denen erinnern mich an so manche Neu-Berliner. Die in die Hauptstadt gekommen sind, um hier in Ruhe zu leben. Gekommen aus der tiefsten Provinz. Die nun allabendlich in ihren Luxus-Lofts und Penthouse-Wohnungen in Prenzlauer Berg oder Friedrichshain oder Charlottenburg sitzen und auf den nächsten Gerichtstermin warten. Weil sie geklagt haben. Geklagt gegen das Großstadtleben. Geklagt, weil es im Club nebenan Musik gibt. Was für eine Frechheit. Da machen welche mitten in Berlin Musik. Und das auch noch laut. Oder erst die Open-Air-Konzerte. Oder Wochenmärkte. So etwas darf nicht sein. Was der Bauer nicht kennt, wird verklagt.

Flugrouten. Wir sind dagegen. Dagegen. Schallte es aus allen Provinzen um Berlin. Besonders da im Südosten. Wo eine ganze Region davon lebt, dass es dort einen Flughafen gibt. Wo es der ganzen Region noch besser gehen wird, wenn erst der neue Großflughafen in Betrieb ist. Aber wer will das schon? Ruhe wollen alle. Ruhe. Weit genug weg sein von der City. Von Clubs und dem Lärm der Biergärten. Aber nahe genug, um des morgens mit Auto oder Bahn in die City auf Arbeit fahren zu können. Und so ein kurzer Anfahrtsweg zum Flughafen. Ja, das wäre auch nicht schlecht. Aber bitte keinen Fluglärm.

Ist denen eigentlich bewusst, dass sich mancher das Grundtstück hätte gar nicht leisten können, wenn der Flughafen nicht ausgebaut worden wär? Dann würden sie vielleicht noch immer in ihrer Hellersdorfer Drei-Zimmer-Plattenbau-Butze sitzen. Oder in Castrop-Rauxel, in Bietigheim-Bissingen. Bei Kartoffelchips und Dosenbier und Tetrapackwein. Hätten aber wenigstens ihre Ruhe vor dem Fluglärm. Und wir unsere Ruhe vor denen. Ruhig wird es übrigens bald auch hier. In Pankow. Was nicht schlecht ist. Aber auch nicht so richtig gut. Denn der kurze Anfahrstweg zum Flughafen wird leider bald Geschichte sein. Dann müssen wir bis Schönefeld. Eine Stunde? Zwei Stunden fahren? Keiner weiß es so genau. Nur eins steht fest: Ab 3. Juni herrscht hier himmlische Ruhe. Am Himmel über Berlin Pankow.


Rechts-Schutz Berlin

Da muss man nichts mehr schreiben. Die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage spricht für sich:

Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) vom 12. September 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. September 2011) und Antwort Rechtspopulistische und rechtsextremistische Veranstaltungen vor der Wahl in Berlin

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. War dem Senat bekannt, dass Pro Deutschland an dem Wochenende 27.8/29.8 einen sog. Anti-Islami-sierungs-Kongress durchführen wollte?

Zu 1.: Es war bekannt, dass die Durchführung eines Anti-Islamisierungs-Kongresses beabsichtigt war.

2. Welche Kenntnisse hat der Senat zu einzelnen Aktionen und TeilnehmerInnen an den Aktivitäten von Pro Deutschland im Rahmen dieses Kongresses?

Zu 2.: Es lagen keine Kenntnisse vor. Mehrere Wochen vor dem 27.08.2011 wurde bekannt, dass der Anti-Islamisierungs-Kongress nicht stattfinden wird.

3. War dem Senat bzw. der Polizei die geplante Provokation am 27.08. im Rahmen dieses Kongresses vor dem islamischen Bekleidungsgeschäft in Neukölln be-kannt, wenn ja ab wann und wie wird diese bewertet?

Zu 3.: Die Bürgerbewegung Pro Deutschland meldete am 24.08.2011 eine Versammlung mit dem Thema „Unsere Frauen bleiben frei“ für den 27.08.2011 in 12049 Berlin-Neukölln, Flughafenstraße (Mittelinsel) Ecke Hermannstraße an. Versagungsgründe lagen nicht vor. Aus der Versammlung heraus gingen eine mit einer Burka bekleidete Frau sowie drei Männer vor ein islamisches Bekleidungsgeschäft und ließen sich fotografieren. Diese Aktion war vorher nicht bekannt.

4. Ist dem Senat bekannt, dass dem Veranstaltungs-leiter der Gegenproteste eine Anzeige wegen der ver-suchten Beschädigung des Lautsprecherwagens vor Ort durch einen Sympathisanten von „Pro Deutschland“ durch die Polizei verwehrt wurde, und welche Maßnahmen wurden dazu eingeleitet?

Zu 4.: Beamte der Polizei Berlin wurden vom An-melder der Gegenkundgebung zwecks Erstattung einer Anzeige wegen des Verdachts der Sachbeschädigung angesprochen, weil eine unbekannt gebliebene Person einen Stecker aus der Lautsprecheranlage gezogen hatte. Als die für eine Anzeige erforderlichen Angaben auf-genommen werden sollten, verzichtete der Anmelder auf eine Anzeigenerstattung. Die Polizei Berlin hat die bis dahin vorliegenden Erkenntnisse in einem Bericht akten-kundig gemacht. Aus dem Bericht geht hervor, dass nach dem geschilderten Sachverhalt die Lautsprecheranlage mindestens eine halbe Stunde Musik abstrahlte.

5. War dem Senat bekannt, dass auf Einladung von „Die Freiheit“ u.a. Geert Wilders und Oskar Freysinger am 3.9. in Berlin auftraten? Wenn ja, ab wann und wie wird dieser Auftritt bewertet?

Zu 5.: Die Partei „Die Freiheit“ hat die Polizei Berlin mit Datum vom 27.07.2011 schriftlich über die geplante Veranstaltung unter Angabe der Redner/-innen sowie des Veranstaltungsortes, einem Berliner Hotel, informiert.

6. Welche Kenntnisse hatte der Senat zu welchem Zeitpunkt zum Ort der Veranstaltung am 3.9.? Und mit welcher Begründung wurde der Ort der Öffentlichkeit verschwiegen?

Zu 6.: Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Ein Auskunftsersuchen lag nicht vor.

7. Welche Gründe gab es, am 3.9. Gegenproteste ent-gegen den Ankündigungen des Innensenators nicht in Hör- und Sichtweite zuzulassen und die „Gedenkstätte deutscher Widerstand“ an dem Tag nahezu abzusperren?

Zu 7.: Die Bewertung der Gesamtzusammenhänge veranlasste die Polizei Berlin, Personenschutz für Herrn Wilders sowie Objektschutz für das Veranstaltungshotel durchzuführen. Der erforderliche Objektschutz konnte nur durch Schaffen eines Sicherheitsbereichs gewährleistet werden. In diesem Sicherheitsbereich lag auch die Ge-denkstätte Deutscher Widerstand. Es war sichergestellt, dass Besucher/-innen die Gedenkstätte aufsuchen konn-ten.

Den vor Ort angemeldeten drei Gegenkundgebungen wurden folgende Örtlichkeiten zugewiesen:

Bendlerbrücke

Tiergartenstr./Stauffenbergstr.

Sigismundstr./Hitzigallee

Die Kundgebung auf der Bendlerbrücke war auch ohne Benutzung von Lautsprechern vor dem Hauptein-gang des Hotels deutlich wahrnehmbar. Hör- und Sicht-weite zum Hotel waren gegeben.

Da die Teilnehmer/-innen der Veranstaltung der Partei „Die Freiheit“ auf dem Weg zum Hotel Maritim mindestens eine Kundgebung passieren mussten, ist der Zweck der Gegenkundgebungen, die Teilnehmer/-innen der Veranstaltung im Hotel zu erreichen, nicht vereitelt worden.

8. Ist dem Senat eine Stellungnahme des Hotel „Maritim“ bekannt, in der auf eine Nachfrage zur Partei „Die Freiheit“ bei der Polizei im Vorfeld der Ver-anstaltung verwiesen wird und welche Informationen wurden dem Hotel über diese Partei sowie zu Geert Wilders und Oskar Freysinger zur Verfügung gestellt, um die Problematik dieser Veranstaltung zu erkennen?

Zu 8.: Eine Stellungnahme des Hotels ist hier nicht bekannt.

Im Vorfeld der Veranstaltung fand am 05.08.2011 im Veranstaltungsort eine Besprechung von Vertretern/-innen der Partei „Die Freiheit“ und der Veranstaltungs-leiterin des Hotels unter Beteiligung der Polizei Berlin statt. Bei dieser Besprechung ging es ausschließlich um organisatorische Belange zur Vorbereitung der Ver-anstaltung und des geplanten Personenschutzes von Herrn Wilders.

Im Rahmen der Besprechung wurde auch thematisiert, dass Herr Wilders ein umstrittener Politiker ist.

9. Was hat der Senat im Zeitraum dieser Wahlkampf-Events der Rechtspopulisten getan, um die zivil-gesellschaftlichen Gegenproteste/-veranstaltungen zu unterstützten, eigene Positionen zu beziehen und den Konsens aller Parteien des Abgeordnetenhauses gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in die Praxis umzusetzen?

Zu 9.: Der Senat als staatliches Organ schützt durch sein permanentes tägliches Handeln den Bestand des Staates, seine Funktionsfähigkeit, seine Einrichtungen sowie die Rechtsordnung einschließlich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin. Er unterliegt dabei der allgemeinen staatlichen Pflicht zur Nichteinmischung und Neutralität in parteipolitischen Auseinandersetzungen.

Gesellschaftliche Auseinandersetzungen im demo-kratischen Rechtsstaat sind mit politischen Mitteln zu lösen und nicht durch die Instrumentalisierung der Polizei. Die Polizei gewährleistet durch den Schutz von Grundrechten die Austragung von Konflikten in den von Recht und Gesetz gezogenen Grenzen. Sie hat sich bei demokratischen Auseinandersetzungen neutral zu ver-halten.

10. Welche Kenntnisse hat der Senat von der NPD Veranstaltung am 11.09 auf dem Alexanderplatz, wann erfolgte die Anmeldung und wann war der Ort intern bekannt?

Zu 10.: Die Nationaldemokratische Partei Deutsch-lands (NPD) hat am 21.06.2011 bei der Internetwache der Polizei Berlin eine Kundgebung auf dem Alexanderplatz angemeldet.

11. Warum wurde der Ort der Veranstaltung der Öffentlichkeit verschwiegen, trotz Zusage des Innen-senators rechtsextreme Veranstaltungen mind. 24 Stunden vor Beginn öffentlich zu machen?

Zu 11.: Verfassungsrechtlich steht dem/der An-melder/-in einer extremistischen Versammlung – wie anderen Versammlungsanmeldern/-innen auch – die Aus-übung seiner garantierten Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 Grundgesetz und Artikel 26 Verfassung von Berlin, einschließlich des Selbstbestimmungsrechts über Ort, Zeitpunkt und Inhalt der Veranstaltung, zu.

Solange eine rechtsextremistische Versammlung – bei aller Kritikwürdigkeit oder sogar Anstößigkeit der ge-wählten Themen – nicht gegen Gesetze verstößt, stellt sie sich als rechtmäßige Ausübung von Grundrechten dar.

Daher ist es Aufgabe des Staates, auch Ver-sammlungen zuzulassen und zu schützen, die sich im Rahmen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit be-wegen, gegebenenfalls aber gegen die überwältigende Mehrheitsmeinung in Bevölkerung und Politik gerichtet sind. Demokratie bedeutet im Rahmen des Ver-sammlungsrechts, dass auch die Meinungen von Minder-heiten, selbst von kleinen Minderheiten, geäußert werden können und ermöglicht werden. Die von der Polizei – die sich thematisch neutral zu verhalten hat – auf der Basis der bestehenden Gesetze getroffenen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, einer unter dem Schutz des Grund-rechts auf Versammlungsfreiheit stehenden Versammlung die tatsächliche Durchsetzung der Versammlung zu er-möglichen, sei es durch polizeilichen Schutz, sei es durch Freihalten der Strecke eines Aufzuges, sei es durch polizeiliches Fernhalten einer Gegendemonstration in angemessenem Abstand oder sei es durch Räumung einer Wegstrecke, die von Gegendemonstranten/-innen blockiert wurde, setzen geltendes Verfassungsrecht um.

Im Regelfall ist es das Interesse eines Veranstalters, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel selber bekannt zu machen, weil er an „Öffentlichkeit“ interessiert ist. Es gibt auch ein legitimes Interesse zu-mindest der durch Verkehrseinschränkungen betroffenen Öffentlichkeit an rechtzeitiger Information.

Ebenso ist Abgeordneten im Parlament und Pressever-treten/-innen grundsätzlich auf Nachfrage Auskunft zu erteilen. Nur im Einzelfall kann die Information hinaus-geschoben werden. Insofern wird auf die Ausführungen in der Sitzung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung am 23.05.2011 verwiesen. Im Ausschuss oder im Plenum nachfragenden Abgeordneten ist stets, notfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der Presse im Regel-fall spätestens am Vortag einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel Auskunft zu geben.

12. Warum werden weiterhin Gegenproteste nicht in Hör- und Sichtweite zugelassen?

Zu 12.: Gegenproteste in Hör- und Sichtweite wurden sowohl am 03.09.2011 als auch am 11.09.2011 zu-gelassen und sind auch in Zukunft möglich.

Berlin, den 09. Oktober 2011

Dr. Ehrhart Körting

Senator für Inneres und Sport

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Nov. 2011)

Das ist das Mindeste

Es war laut. Sehr laut heute früh in der S-Bahn. Ausgerechnet heute. Nach dem langen Abend im Café Garbaty gestern. Mit dem guten tschechischen Bier. Da simmer dabei, dat is prima. Haben sie gesungen. Nein, gebrüllt haben sie es. Heute früh in der S-Bahn. Mein Hirn war aber noch nicht online. Ich konnte die Zeilen nicht zuordnen. Wohl auch, weil die Brüller hinter mir saßen. Was wollen die bloß? Auch beim Refrain sollte sich keine logische Verbindung zwischen Lied, Text und Ereignisort beziehungsweise Datum/Tag einstellen. Viva Colonia. Brüllten nun noch ein paar mehr mit im Chor. Viva Colonia. Irgendwann, irgendwo hatte ich das schon einmal gehört. Da mein Hirn jedoch immer noch in der Ladestufe verharrte, nahm ich mein Smartphone zu Hilfe. Dazu ist es ja schließlich da. Um all die trunkenen Hirne am frühen Morgen zu ersetzen.  Oder zumindest, ihnen Unterstützung zu bieten.

Viva Colonia. Ein Lied von den Höhnern aus Köln. Neukölln? Nee, Köln. Colonia eben. Ach, richtig. So ein Karnevalsong, der dort jedes Jahr und immer wieder geträllert wird. Und, so steht es im Internet geschrieben, sagt mein Smartphone, sogar auf dem Münchener Oktoberfest sei das Lied der Hit. Nun gut. Aber warum brüllen diese Deppen oder Jecken oder wer auch immer sie sind, das Lied morgens in der S-Bahn? Zwischen Alex und Zoo? Während mein Hirn in der Vorstufe zum logischen Denken nach Zusammenhängen suchte, gab es Befehl an die Beine. Ich setzte mich um. Weiter weg von den Brüllern und dafür aber mit dem Gesicht zum Volke. Und nun offenbarte sich mir, wer sich da dem Brüllen eines in Bayern erfolgreichen kölschen  Liedes in Berlin widmete. Dre junge Frauen und ein Typ. Schätzungsweise Anfang 20. Oder jünger. Oder älter. Wie auch immer. Mein Hirn signalisierte: Weg hier. Raus. Aussteigen. Dann wieder: Sitzenbleiben. Wir sind noch nicht am Ziel. Was also machen? Das Gebrüll und den Anblick ertragen? Oder Aussteigen und zu spät zur Arbeit kommen?

Ich blieb sitzen. Ertrug den Anblick. Den Anblick der Brüllgruppe. Die eine Brülldame hatte einen rasierten Schädel. Zur Hälfte. Die andere Hälfte voller bunter Haare. Ungewaschener Haare. Die zweite mit John-Lennon-Brille. Und Igelhaarschnitt. Ein weiteres Brüllmädchen saß im Abteil gegenüber. Allein. Weil neben ihr niemand mehr Platz gefunden hätte. 150 Kilo. Schätzungsweise. In kurzen Hosen. Zu engen und zu kurzen kurzen Hosen. Mein Hirn signalisierte: Weg. Bloß weg hier. Raus. Doch noch fünf Stationen bis zum  Zoo. Der Dicken gegenüber der Typ. Der Brüllaffe. Das komplette Gegenteil. 50 Kilo. Höchstens. Ein Kreuz wie  Zaunlatte. Aber Schnauzbart. Und Rucksack. Und große Fresse. Viva Colonia. Wir leiben das Leben, die Liebe und die Lust. Brüllt er. Wir glauben an den Lieben Gott und ham auch immer Durst. Geht es weiter. Ja. Genau so sieht er aus. Liebe und Lust. Eher wie Krise und Frust.

Aber warum nur sangen die das Lied? Mein Hirn war inzwischen zu 50 Prozent gefechtsbereit und versuchte nun Lied, Ort, Datum und vor allem Brüllgruppe unter ein Dach zu bringen. Der Karneval war es nicht. Oktoberfest? Auch nicht. Der 1. Mai? Der 1. Mai. Der musste es sein. Aber warum Viva Colonia? Ich hab es nicht herausgefunden. Nur zwei Dinge wurden auf der Fahrt bis Zoo noch klar. Nämlich was die Gruppe außer dem Brüllen noch verband. Erstens: Alle waren noch nie einer geregelten Arbeit nachgegangen. Und zweitens: Sie waren unterwegs zur 1. Mai-Demo des DGB.  Motto: Das ist das Mindeste. Zu Gast: Die Band Ruhestörung. Viva Colonia.